Bochum/Hattingen. Nach einem Wurf eines E-Scooters auf die A40 in Bochum stehen zwei Männer vor Gericht. Vorwurf: Mordversuch. „Der Kopf war aus“, sagt einer.

Für die Angeklagten war es im wahrsten Sinne des Wortes eine Schnapsidee, für die Staatsanwaltschaft aber ein versuchter Mord: Zwei junge Männer (18, 22) stehen seit Donnerstag vor dem Landgericht, weil sie einen E-Scooter von einer Brücke aus auf die stark befahrene A40 in Bochum geworfen haben sollen. Es hätte Tote geben können.

„Ich kann mir das nicht erklären“, sagte der 22-jährige Angeklagte, ein Kfz-Mechatroniker aus Hattingen, zum Prozessauftakt, als ihn Richter Johannes Kirfel nach dem Sinn der Aktion fragte. „Der Kopf war einfach aus. Wir haben nicht weiter gedacht als ein oder zwei Sekunden.“

Beide Angeklagten waren zur Tatzeit in Bochum stark alkoholisiert

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Der Fall vom 23. September 2019 hat nicht nur Autofahrer schwer schockiert. Gegen 20.40 Uhr waren die beiden Freunde in Bochum-Grumme unterwegs. Nach der Arbeit hatten sich beide bei einem Discounter an der Castroper Straße zwei Flaschen Kräuterlikör gekauft. Der Bochumer (18), ein Azubi, hatte schon auf der Heimfahrt von einer Ausbildung in Essen im Zug drei Dosen Bier getrunken. Zur Tatzeit hatte er dann laut Anklage 2,17 Promille Alkohol intus, der Hattinger 1,58 Promille.

Die Angeklagten (hinter den Mappen) neben ihren Verteidigern und zwei Wachtmeistern. Das Tatmittel, der E-Scooter, steht im Gerichtssaal.
Die Angeklagten (hinter den Mappen) neben ihren Verteidigern und zwei Wachtmeistern. Das Tatmittel, der E-Scooter, steht im Gerichtssaal. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel


In der Nähe des Ruhrstadions soll der 18-Jährige einen geparkten Leih-E-Scooter gestohlen und erklärt haben, ihn auf die A40 zu werfen, direkt vom „Grummer Deckel“ – der Überdachung der A40. Ein Fuß- und Radweg führt dort hinüber. Der 22-Jährige gibt zu, dann mitgemacht zu haben.

Demnach wuchteten beide den 25 Kilo schweren Roller auf die Oberkante der zwei Meter hohen Sicherheitswand und ließen los. Aus neun Metern Höhe schlug das Zweirad unmittelbar vor der Tunneleinfahrt auf der linken Spur in Richtung Dortmund auf.

Vier Autos stießen mit dem E-Roller zusammen

Eine Seat-Fahrerin (49) war völlig überrascht, konnte nicht mehr ausweichen und überrollte den Scooter. Auch drei weitere Autos kollidierten damit. Alle wurden beschädigt. Zwei konnten nicht weiterfahren.

Staatsanwalt Danyal Maibaum sagt, dass der Scooter nur dank glücklicher Umstände nicht in ein Auto eingeschlagen sei. Den Tod eines Menschen hätten die Angeklagten “mindestens billigend in Kauf genommen“. Die Gefahr hätten die beiden auch erkannt. Äußerlich verletzt wurde niemand. Unmittelbar nach der Tat wurden beide von der Polizei gefasst. Seitdem sitzen in U-Haft.

Weitere Anklagen: Haltestellen verwüstet


Gegen beide Angeklagten erhebt Staatsanwalt Maibaum weitere Vorwürfe: Auf der Königsallee in Bochum sollen sie unter Alkohol vier Haltestellen mit einem in einem Bus gestohlenen Nothilfehammer zerstört haben.
Zudem sollen sie in einem Wittener Autohaus versucht haben, ein Auto zu stehlen. Mangels Erfolgs hätten sie es schwer beschädigt.
Dem 18-Jährigen werden auch übelste Beleidigungen gegen Polizisten und Fahren ohne Fahrerlaubnis vorgeworfen. Beide sind geständig.
Beide sind auch bereits wegen – relativ – kleiner Delikte vorbelastet.

Der 18-Jährige sagte den Richter, dass er sich wegen des Alkohols nicht mehr an die Tat erinnern können. Er streitet die Vorwürfe aber auch nicht ab und will für die Tat geradestehen. Bei der Haftrichterin konnte er sich aber sehr wohl erinnern: „Wir haben den Roller gemeinsam auf die Brüstung gehoben.“

Der ersten Autofahrerin, die mit dem Roller kollidierte, gaben die Angeklagten im Gerichtssaal 1000 Euro als Entschädigung. Auch eine Entschuldigung nahm sie.

Regelmäßig und reichlich Alkohol getrunken

Beide Angeklagten hatten in den Monaten vor der Tat regelmäßig, teilweise fast täglich, sehr viel Alkohol getrunken, auch Hochprozentiges. Wegen kleinerer Delikte sind sie vorbelastet. Bis zur Inhaftierung haben sie bei ihren Eltern gelebt.

Am 26. März soll das Urteil fallen.