Bochum. European Homecare hat die Betreuung von Flüchtlingen in Bochum übernommen. Die Firma sieht sich mit Kritik und seiner Vergangenheit konfrontiert.
Es ist nicht weniger als ein neues Kapitel in der Betreuung von Flüchtlingen und Obdachlosen in Bochum. Mit der European Homecare GmbH übernimmt zum ersten Mal ein privatwirtschaftlich organisiertes Unternehmen diese soziale Aufgabe.
Mit Aktenstudium hat der neue Träger der Anlaufstelle an der Girondelle 6 in Querenburg seine Arbeit aufgenommen. Und mit einem Lob: „Wir übernehmen selten so gut gepflegte Bestände wie hier. Das ist eine tolle Aktenlage“, sagt Adam Lisek. Der 44-jährige ist als Betriebskoordinator verantwortlich für diese und für 21 weitere Einrichtungen in Nordrhein-Westfalen, Mecklenburg-Vorpommern und im sächsischen Dresden. European Homecare folgt auf Caritas und Diakonie, die seit 2015 an der Girondelle die Betreuung und Integration von Flüchtlingen übernommen hatten.
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Vorwurf der schlechten Bezahlung
Der Wechsel des Trägers ist nicht geräuschlos verlaufen, nachdem die beiden Wohlfahrtsverbände im Vergabeverfahren leer ausgegangen sind. Ihr Vorwurf – und der aus einigen Fraktion im Rat: Integrationsarbeit ist Vertrauensarbeit und sollte daher von bekannten Ansprechpartnern vor Ort geleistet werden. Und: Soziale Arbeit kann nicht von einer nach Gewinn strebenden Firma erledigt werden, die ihre Mitarbeiter mit geringen Löhnen abspeist.
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Heftige Vorwürfe, die aus Sicht des Essener Unternehmens nicht gerechtfertigt sind. „Wir stehen im Wettbewerb mit den Wohlfahrtsverbänden um gute Fachkräfte. Wenn wir sie schlecht bezahlen würden, würden sie nicht für uns arbeiten“, sagt Sprecher Thomas Hüser. Dass European Homecare seine Leistungen zu einem geringeren Preis anbieten könne, liege viel mehr darin, dass es anders als in den Verbänden keinen Mittelbau gebe, der Geld koste. „Wir haben schlanke Strukturen. Eine Zentrale und professionelle Teams vor Ort.“
Beschäftigte aus 42 Nationen
„Und die sind außerdem sehr gut ausgebildet“, sagt Adam Lisek. Das achtköpfige Personal an der Girondelle, das insgesamt etwa 200 Personen in 125 Wohnungen betreue, bestehe aus Sozialpädagogen und Sozialarbeitern, die zum Teil bereits selbst Flüchtlingseinrichtungen geleitet haben. Sie verfügten über Erfahrung, Kompetenz, Fremdsprachenkenntnis und ein gehöriges Maß an Verständnis. „Viele unserer Mitarbeiter haben einen Migrationshintergrund, wir haben im Unternehmen Beschäftigte aus 42 Nationen“, so European-Homecare-Sprecher Hüser.
Auch Adam Lisek, der das Konzept für die Betreuung in Bochum ausgearbeitet hat, glaubt die Lage von Flüchtlingen gut beurteilen zu können. Er ist als Spätaussiedler nach Deutschland gekommen. „Ich weiß wie es ist, in einem Container zu wohnen und zuzuschauen, wie die Mutter das Essen in einer Gemeinschaftsküche kocht“, sagt der Bochumer.
Es geht um Hilfe zur Selbsthilfe
Dass Vertrauen und Nähe zu den betreuten Menschen wichtig sind, wie es Kritiker der städtischen Vergabeentscheidung betonen, sei unbestritten. „Lokale Kompetenz und die Zusammenarbeit mit Ehrenamtlichen ist ein Riesenpfund“, so Lisek. Das Team sei daher auch dabei, die Fühler auszustrecken. Aber es komme auch nicht ganz unvorbereitet. Die Mitarbeiter kommen aus Bochum, Dortmund und dem Rest der Region. Sie kennen das Revier.
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130 Einrichtungen in zehn Bundesländern
Insgesamt 125 Wohnungen mit etwa 200 Menschen betreut European Homecare in Bochum. Insgesamt betreut das Essener Unternehmen mit etwa 1300 Mitarbeitern 130 Einrichtungen in zehn Bundesländern.
In Bochum hat es außerdem den Zuschlag der Bezirksregierung für die Betreuung der Flüchtlinge in der Landeserstaufnahmeeinrichtung LEA am Gersteinring erhalten.
Ihr Arbeitsauftrag geht aus dem Leistungskatalog hervor, den die Stadt Bochum erstellt hat. In weiten Teilen ist es die Fortsetzung der Arbeit von Caritas und Diakonie. Der wesentliche Unterschied: Es geht auch um die Betreuung von Obdachlosen. „Das ist nicht typisch, aber auch nicht ungewöhnlich. Wir haben auch in einigen anderen Städten diese kombinierten Aufträge übernommen“, sagt Adam Lisek. Und bei beiden Gruppen sei die Zielsetzung die gleiche: „Es geht um Empowerment, um Hilfe zur Selbsthilfe.“
Makel des schlechten Rufs
Der schlechten Ruf, mit dem sich European Homecare seit der Misshandlung von Migranten in einem Flüchtlingsheim in Burbach 2014 immer wieder konfrontiert sieht, sei nicht gerechtfertigt. „Wir haben aus Vorgängen von damals gelernt“, sagt der Firmensprecher. Und: „Interessanterweise bringen meistens Mitbewerber das Thema ins Spiel. Bei unseren Auftraggebern hören wir etwas ganz anderes.“ Hier gibt es mehr Artikel, Bilder und Videos aus Bochum