Bochum. In Bochum übernimmt eine privatwirtschaftliche Firma die Betreuung von Flüchtlingen. Wohlfahrtsverbände und einige Ratsfraktion kritisieren das.
Es ist ein Novum in Bochum. Erstmals übernimmt ein gewinnorientiertes Unternehmen eine von der Stadt beauftragte Sozialleistung. Seit Montag betreibt die European Homecare GmbH aus Essen die Betreuung von Flüchtlingen. Dagegen regt sich Widerstand.
Nachdem schon die bisherigen Träger der Anlaufstellen an der „Girondelle“ in Querenburg, Caritas und Diakonie, ihr Unverständnis geäußert haben, zweifeln auch einige Fraktionen im Rat die Vergabepraxis an. Die Linke kritisiert nicht nur grundsätzlich das Outsourcing sozialer Leistungen. Auch sei die Ausschreibung handwerklich schlecht gemacht.
Kritik von mehreren Fraktionen
„Auf dem Papier sollen nicht nur der Preis, sondern auch Qualitätskriterien eine Rolle spielen“, sagt Ralf-D. Lange. „In der Praxis hat die Verwaltung aber die Unterschiede, an denen die höhere Qualität der lokalen Sozialverbände zu messen wäre, überhaupt nicht abgefragt. Wer sich diese Mühe spart, bekommt halt einen kommerziellen Billig-Anbieter.“ Künftig dürften keine Ausschreibungen mehr erfolgen, „bevor nicht eine echte Abfrage der Betreuungsqualität implementiert ist“, so Lange.
Ähnlich sieht es die UWG/Freie Bürger. Die Vergabe an European Homecare sei „ein Schlag ins Gesicht aller Hilfsorganisationen, die nicht berücksichtigt wurden und die nun außen vorstehen“, so Hans-Josef Winkler, sozialpolitischer Sprecher der Fraktion.
Grünen: Vergabepraxis überprüfen
Auch die Grünen sind nicht glücklich mit der Entscheidung, European Homecare zu beauftragen. Sie fordern, die Stadt müsse ihre Vergabepraxis bei der Betreuung von städtisch untergebrachten Menschen überprüfen. Träger der freien Wohlfahrtspflege, die die Betreuung bislang übernommen haben, seien im Stadtteil gut vernetzt und würden die Verhältnisse genau kennen.
„Diese Kompetenz bringen gewerblich tätige Unternehmen meistens nicht mit“, so Astrid Platzmann-Scholten, Fraktionsvorsitzende der Grünen. Sie verweist auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf, dass der Stadt Düsseldorf attestiert habe, sie müsse die Aufgabe der sozialen Betreuung nicht europaweit ausschreiben, sondern kann sie „den örtlichen Wohlfahrtsverbänden überlassen“. Die Stadtverwaltung soll nun prüfen, ob dieses Urteil auch für Bochum gilt.
AG Wohlfahrtsverbände fordert neue Kriterien
Derweil fordert die Bochumer Arbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände, bei Ausschreibungen bestimmte Kriterien zu erfüllen. Soziale und gewerbliche Leistungen sollten getrennt vergeben werden. Und: „Soziale Dienstleistungen – der Dienst am Menschen in Finanzierung durch kommunale Mittel – sollte nur an gemeinnützige Träger vergeben werden. Eine Gewinnorientierung zu Lasten der betroffenen Mitarbeitenden widerspricht den Grundsätzen einer sozialen Stadt.“