Bochum. Das Projekt ist ehrgeizig: Eine Klimaschutzsiedlung entsteht in Bochum. Allerdings: Dafür wurden Bäume gefällt; einige ohne Genehmigung.

Es ist das dritte größere Bauprojekt im nördlichen Bereich des Ehrenfeld in jüngster Zeit: Nach der Vivawest-Siedlung an der Hermannshöhe und dem genossenschaftlichen Krone-Wohnprojekt an der Kronenstraße kündigen sich die nahe gelegenen Viktoriagärten an der Kronenstraße an.

Aber gleich zu Beginn gibt es es Misstöne. Am Dienstagmorgen fiel Timo Leßmöllmann aus allen Wolken, als er das Geräusch einer Motorsäge hörte und aus dem Fenster seiner Wohnung an der Kronenstraße auf das Grundstück unmittelbar an der Bahnlinie sah. In der Nachbarschaft wurden Bäume gefällt. „Vor einigen Monaten wurden dort schon Bäume auf dem Grundstück der kommenden „Viktoriagärten“ gefällt“, so der Anwohner. „Damals hieß es, es würden nur kranke Bäume weggenommen. Jetzt geht es aber auch um gesunde Bäume.“

Lebensraum für viele Tiere

Und das sei fatal. Denn: „Die Bäume und Sträucher waren nachweislich das Zuhause und Rückzugsort nicht nur von vielen Vögeln wie Spechte, Meisen, Elster, Amsel, Rotkehlchen, Ringeltauben und Eichelhähern, sondern auch von anderen Tieren wie Eichhörnchen und Kaninchen.“ Im Internet habe er recherchiert und entdeckt, dass die geplanten Bebauung als „Klimaschutzsiedlung Bochum“ bezeichnet werde. Und er fragt sich: „Was ist an einer Rodung von über 30 Bäumen in der Innenstadt klimafreundlich? Dass sie zum Teil offenbar weichen müssen, um Platz für einen Radweg zu machen, „finde ich noch absurder“, so Leßmöllmann.

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Nur noch Rest der Hecken- und Baumgruppe zwischen den Häusern an der Kronenstraße und der Bahnlinie sind übrig geblieben. Auf dem freien Grundstück sollen die Viktoriagärten entstehen.
Nur noch Rest der Hecken- und Baumgruppe zwischen den Häusern an der Kronenstraße und der Bahnlinie sind übrig geblieben. Auf dem freien Grundstück sollen die Viktoriagärten entstehen. © Timo Leßmöllmann

Das Bochumer Wohnungsunternehmen Rutjes plant an der Stelle den Bau von drei Stadtvillen mit jeweils elf Wohnungen und einem Mehrfamilienhaus mit 14 Wohnungen, wie einer Information der Energieagentur NRW zu entnehmen ist. Geplant ist außerdem ein Bürokomplex, ein Parkhaus mit Schallschutzfunkton und der Umbau der Flohmarkthallen an der Hermannshöhe in ein Gebäude mit 13 Loftwohnungen. Auf der südlichen Seite des Areals soll als Begrenzung ein Fahrradweg entstehen, der das Grundstück an das überregionale Fahrradwegenetz des Ruhrgebietes anbinden soll. „Wir beginnen im März mit den Erschließungsanlagen und im Juni mit dem Bau der Häuser“, kündigt Architektin Carolin Rutjes an.

Bauherr droht nun ein Bußgeld

Eine Baugenehmigung für die Viktoriagärten liegt nach Auskunft der Stadt seit August 2019 vor. „Und auch eine Fällgenehmigung“, so Stadtsprecher Thomas Sprenger. Allerdings betrifft diese Genehmigung nur die Fällung einer Esche. „Zwei Eschen und eine Kirsche wurden ohne Genehmigung gefällt“, so der städtische Baum-Manager Marcus Kamplade, nachdem einer seiner Mitarbeiter am Dienstagnachmittag das Grundstück besichtigt hatte. Für alle drei Bäume müsse der Bauherr nun einen Anhörungsbogen ausfüllen und erklären, warum er die Bäume hat fällen lassen. Ihm drohen nun eine Geldstrafe und/oder die Aufforderung zur Ersatzbepflanzung.

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Drei Neubau-Komplexe im Ehrenfeld

Als Klimaschutzsiedlung gilt das Projekt, weil die Gebäude, so die Energieagentur, im Dreiliter-Standard erstellt werden und dezentrale Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung erhalten sollen. Die Heizwärme- und Warmwasserversorgung sei über ein zentrales Heizwerk mit Holzpelletkessel geplant.

Fast 250 neue Wohnungen in drei Komplexen sind im nördlichen Ehrenfeld neu entstanden oder werden bald errichtet. An der Hermannshöhe hat Vivawest insgesamt 89 Wohnungen gebaut. 95 Wohnungen entstehen derzeit in dem Genossenschaftsprojekt an der Kronenstraße. In den nahe gelegenen Viktoriagärten sind insgesamt 60 Wohnungen geplant.

Die Bäume seien zum Teil in Absprache mit dem Besitzer des Nachbargrundstücks gefällt worden, sagt Carolin Rutjes. „Ob dabei auch Bäume ohne Genehmigung gefällt wurden, kann ich jetzt nicht sagen. Aber wir werden alles wieder aufforsten und begrünen“, versichert die Architektin. Dazu gehörten nicht nur Bäume. Gedacht sei auch an eine Vogelschutz- und Bienenhecke.

Architektin verspricht Aufforstung

Nicht für alle gefällten Bäume habe der Bauherr eine Genehmigung benötigt, erklärt derweil Baum-Manager Marcus Kamplade. „Pappeln, Weiden, Birken und Rubinen fallen nicht unter Bochums Baumschutzsatzung.“ Alle vier seien Pioniergehölze, die Freiflächen als erstes besiedeln.

Timo Leßmöllmann tröstet das wenig. Und auch aus der Politik kommt die erste Reaktion. Angesichts einiger unerlaubt gefällten Bäume sagt Sebastian Pewny, umweltpolitischer Sprecher der Grünen im Rat: „Ich fordere die Verwaltung auf, den Verantwortlichen ein Bußgeld zu erteilen, das dem ökologischen Wert der nicht legal gefällten Bäume entspricht und dafür zu sorgen, dass ortsnahe Ersatzpflanzungen durchgeführt werden.“ Und an kündigt an, seine Fraktion wolle sich dafür stark machen, dass auch Pappeln, Nadelbäume und andere Baumarten in die Baumschutzsatzung aufgenommen werden. Hier gibt es mehr Artikel, Bilder und Videos aus Bochum