Bochum. Weil Personal fehlt, müssen Pflegedienste in Bochum Patienten abweisen oder sogar kündigen. Dabei ist Werner Böcher auf Hilfe angewiesen.
Vor sieben Jahren erlitt Werner Böcher einen schweren Schlaganfall. Seitdem hat der 63-Jährige eine Halbseitenlähmung und eine Aphasie. Er kann also weder sprechen, lesen, schreiben noch sicher verstehen, was seine Lebensgefährtin zu ihm sagt. Nur Ja und Nein kann er noch sagen. „Wenn er aufgeregt ist, wirft er das durcheinander“, sagt Christiane Koch.
Damit beide dennoch zusammenleben können, wurde Werner Böcher von einem ambulanten Pflegedienst versorgt. Nun haben er und seine Lebensgefährtin Christiane Koch am eigenen Leib erfahren, was der Pflegenotstand bedeutet. Der Pflegedienst hat die Betreuung nach mehreren Jahren gekündigt.
Die 57-jährige Lehrerin habe seither 28 Pflegedienste in Bochum und Umgebung angefragt. Ohne Erfolg. „Es war ein ausgeklügeltes System aus Pflegedienst und meiner Hilfe“, sagt sie. Nach einem Unfall ist sie auf eine Gehhilfe angewiesen und darauf, dass jemand drei bis vier Mal am Tag ihren Mann betreute.
Verlust der Sprache ist schwer zu verarbeiten
Der Schlaganfall
260.000 Menschen erleiden im Jahr in Deutschland eine Schlaganfall. Hauptursache beim Schlaganfall sind zu 85 bis 90 Prozent Durchblutungsstörungen.
Halbseitige Lähmungen oder Sprachstörungen sind oft erkennbare Behinderungen nach einem Schlaganfall, wenn Gerinnsel oder Pfropfen die Blutzufuhr zum Gehirn unterbrechen. So kann es sein, dass Betroffene durch Schädigung des Frontallappens im Gehirn plötzlich soziale Auffälligkeiten an den Tag legen.
Jetzt ist ihr Lebensgefährte im Pflegeheim. Lange vorbereiten konnten sie sich auf diesen Schritt nicht. Ihr Mann sei zu jung für das Heim, bedauert Koch.Durch die Aphasie sind alle seine sprachlichen Fähigkeiten betroffen.Inneres Denken, persönliches und allgemeines Wissen sind bei dieser Erkrankung nicht oder nur gering gestört. Der Verlust und die Störung der eigenen Muttersprache seien seelisch schwer zu verarbeiten. „Es gibt keine Psychotherapie für Leute, die nicht sprechen können. Er fällt aus allen Rastern raus“, erklärt sie.
Sie fühle sich als pflegende Angehörige mit den alltäglichen Problemen allein gelassen. „Ich würde mir eine zentrale Anlaufstelle wünschen. Es gibt ja auch Hilfen für Erziehung. Da haben alle Eltern ein Recht drauf.“
Zum individuellen Fall von Werner Böcher gibt die Familien- und Krankenpflege Bochum keine Auskunft. „Wir sind gehalten, den Vertrag einzuhalten und müssen den geforderten Qualitätsnormen nachkommen. Wenn wir die Qualität der Versorgung vor dem Hintergrund der Personalsituation nicht leisten können, müssen wir uns von Kunden trennen“, bedauert Geschäftsführer Wolfram Junge. Er bemängelt, dass deutschlandweit mehr Pflegekräfte in Rente gehen als ausgebildet werden. Die ethische und moralische Verbundenheit zu den Patienten ändere die Situation nicht.
So ist die Situation bei anderen Pflegediensten
„Wir mussten in diesem Jahr auch Patienten kündigen. Wir haben unser Einzugsgebiet verkleinert, da wir kein Personal mehr haben“, sagt Cura-Geschäftsführerin Steffi Kuske. Auch die Dokumentationspflicht erschwere den Alltag der Mitarbeiter. „Das ist frustrierend. Mir tun auch die Patienten leid. Einige haben weinend angerufen.“ Neue Bewerber gebe es kaum. Zusätzlich seien viele Mitarbeiter kurz vor der Rente.
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Beim Bochumer Pflegedienst der Caritas komme es selten zu Kündigungen. „Es kann Patienten geben, die nicht mit uns kooperieren und sich nicht an die Vorgaben der Ärzte halten. Wir machen das mit vier Wochen Vorlaufzeit“, sagt Pressesprecherin Annette Borgstedt. Aktuell gebe es noch Kapazitäten. Das sei aber nicht die Regel. Die Diakonie Ruhr könne in Bochum den Verträgen nachkommen, teilt Pressesprecher Stefan Trockel mit. Bei dem Pflegedienst habe es keine Kündigungen gegeben.