Düsseldorf. Serdar Yüksel, Landtagsabgeordneter aus Wattenscheid, warnt: “Wir brauchen nicht nur einen Aufstand der Anständigen, sondern der Zuständigen.“

Serdar Yüksel (46) ist am Donnerstag erschüttert wegen der Gewalttat von Hanau. Der SPD-Landtagsabgeordnete aus Wattenscheid befürchtet, dass die Taten von Hanau, Halle und Kassel erst der Anfang sein könnten. "Wir stehen womöglich vor einer rechtsradikalen Terrorwelle", sagte er dieser Redaktion.

Die gerade aufgeflogene mutmaßliche rechte Terrorgruppe, der Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, die antisemitisch motivierten Taten in Halle und die Mordserie der NSU-Terroristen nährten diese Befürchtung. Yüksel ist davon überzeugt, dass es noch viele andere rechte Terrornetzwerke gebe, die Mordpläne schmiedeten.

"Lichterketten reichen nicht. Die Politik muss handeln"

"Ich bin überdrüssig, dass in solchen Situationen immer auf die Verantwortung der Zivilgesellschaft hingewiesen wird. Lichterketten und Demonstrationen sind wichtig. Aber wir brauchen nicht nur einen Aufstand der Anständigen, sondern einen Aufstand der Zuständigen", schimpft der Sozialdemokrat, der, wie er sagt, die rechte Szene seit 25 Jahren beobachtet und immer wieder massiv persönlich bedroht worden sei.

"Reul ist ein Meister der Blendgranaten"

Wenn er vom "Aufstand der Zuständigen" spricht, meint Yüksel insbesondere NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU). Reul sei "ein Meister der Blendgranaten", sagte Yüksel. Der CDU-Politiker habe die Verbindung zwischen Shisha-Bars und Clan-Kriminalität immer wieder betont und den Kampf gegen Clans zu seiner persönlichen Aufgabe gemacht . "Es ist okay, wenn NRW die Clan-Kriminalität bekämpft, aber hier stimmt die Verhältnismäßigkeit der Mittel nicht", meint der Wattenscheider.

Während sich die Sicherheitsbehörden auf Shish-Bars, Clans und Barber-Shops konzentrierten, bleibe der Rechtsextremismus ein "völlig unterschätztes Phänomen", so Yüksel. Geradezu aberwitzig findet es der Landtagsabgeordnete, wenn Reul, wie zuletzt, von einem "neuen Phänomen" spricht. Probleme mit rechter Gewalt gebe es seit Jahrzehnten, man erinnere sich nur an die Tat von Solingen im Jahr 1993.

Eine rechte, auch Gewalt befürwortende Gesinnung sei durch die AfD "gesellschaftsfähig geworden", findet Yüksel. Viele Menschen mit Migrationshintergrund in NRW seien schon lange "total verunsichert". Der Politiker ermahnt seine Landtags-Kollegen aus allen Fraktionen, sprachlich "abzurüsten". Nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch im Landtag gebe es eine Tendenz zu martialischer Sprache. Damit müsse Schluss sein.

SPD-Landtags-Fraktionschef Kutschaty: "Aufstehen gegen rechten Terror"

Führende Sozialdemokraten in NRW zeigten sich ebenfalls bestürzt wegen der Gewalttat in Hanau. "Viele - zum Teil noch junge - Menschen müssen sterben, weil ein hassender Mann ihnen das Leben nimmt. Ich trauere zutiefst und fühle mit den Angehörigen und Freunden der Opfer", sagte SPD-Landtags-Fraktionschef Thomas Kutschaty dieser Redaktion. Sein Appell: "Wir müssen aufstehen gegen den rechten Terror. Wir dürfen ihm keinen Millimeter mehr lassen."

SPD-Landeschef Hartmann: "Das ist ein Angriff auf uns alle"

SPD-Landesvorsitzender Sebastian Hartmann sagte: „‪Das Schüren von Hass und Angst hat erneut zu Terror und Tot geführt. Meine Gedanken sind bei den Opfern, ihren Angehörigen und Freunden." De Anschlag von Hanau sei ein "Anschlag auf unsere Demokratie und die friedliche Mehrheitsgesellschaft. Diese Tat ist ein Angriff auf uns alle", sagte Hartmann.

Die Zivilgesellschaft dürfe es nicht länger hinnehmen, dass sich unter den Augen der Öffentlichkeit und der Sicherheitsbehörden weitreichende Strukturen ohne Gegenmaßnahmen des Staates etablierten und verfestigten, erklärte der NRW-SPD-Chef. "Dazu gehört auch die zunehmende Radikalisierung immer weiterer Teile der rechtsextremen Szene, befördert durch Sprache und Taten rechtsradikaler und demokratiefeindlicher Parteien, Organisationen und ihrer Netzwerke."

SPD-Fraktionsvize Sven Wolf hatte in dieser Woche den Druck auf NRW-Innenminister Reul erhöht. Anlass war der Schlag gegen die mutmaßliche rechte Terrorgruppe, zu deren Mitgliedern auch Männer aus NRW zählen. Die Opposition verlangt schnelle Informationen insbesondere darüber, auf welche wichtigen Polizei-Informationen der festgenommene Polizei-Verwaltungsbeamte aus Hamm Zugriff hatte.