Bochum. Runder Geburtstag in Bochum. Kelvion wird 100. Das Unternehmen stellt an weltweit 47 Orten Wärmetauscher her. Seine Heimat ist das Ruhrgebiet.

Sie schwören alle auf Kelvion: MAN, Caterpillar und andere. „Die weltweit zehn großen Motorenhersteller werden alle von uns beliefert“, sagt Kelvion-Geschäftsführer Matthias Klein-Lassek. In Bochum wissen sie seit 100 Jahren, wie sie kalte Luft auf Temperatur bringen und heiße Luft abkühlen – je nach Bedarf.

Wie wichtig die mittlerweile im Thelen-Gewerbepark im Stadtteil Riemke entwickelten und wenige Hundert Meter weiter an der Südstraße in Herne hergestellten Komponenten sind, verrät ein Blick auf ein Teilsegment des Traditionsunternehmens. Seine Abgasrückkühler gehen exklusiv an die beiden US-Hersteller großer Lokomotiven – Caterpillar und General Electric. „Jede Woche verlassen 20 Stück davon unser Werk, wir produzieren insgesamt 800 Stück im Jahr“, sagt Geschäftsführer Klein-Lassek. Würde in Herne die Produktion stocken, „dann stünden die Lokomotiven in den USA still“.

Hochpräzise Fertigung nötig

Das „Kunststück“ der komplett aus Edelstahl gefertigten Kühler: Die 700 Grad heiße Abgasluft wird in der einen Meter langen Komponente auf 120 Grad abgekühlt. „Damit bewegen wir uns am Rand des physikalisch Machbaren“ so Matthias Klein-Lassek beim Rundgang durch die Fertigungshalle an der Südstraße. Und dabei sind sowohl Mensch wie Maschine gefragt. Das Gehäuse der Kühler wird von 17 Schweißern, O-Ton des Geschäftsführers: „Das sind echte Künstler“, und von einem eigens entwickelten Laserschweißgerät abgedichtet. Beides müsse höchsten Ansprüchen genügen. Und für den Geschäftsführer ist es einer der Beweise dafür, „dass wir in Deutschland immer noch industrielle Fertigung für den Weltmarkt erledigen können“ – sofern Liefertreue, Qualität und Kosten stimmten.

Kelvion-Geschäftsführer Matthias Klein-Lassek (l.) erklärt Stefan Postert (l.), stellvertretender Hauptgeschäftsführer der IHK Mittleres Ruhrgebiet, die Herstellung eines Abgasrückkühlers aus Edelherstahl für große Lokomotiven in den USA.
Kelvion-Geschäftsführer Matthias Klein-Lassek (l.) erklärt Stefan Postert (l.), stellvertretender Hauptgeschäftsführer der IHK Mittleres Ruhrgebiet, die Herstellung eines Abgasrückkühlers aus Edelherstahl für große Lokomotiven in den USA. © Kelvion | Katrin Pyc

Vom Ruhrgebiet aus wird das Weltunternehmen Kelvion geleitet. Etwa 800 Millionen Euro Umsatz machen die insgesamt 5000 Mitarbeiter an 47 Standorten rund um den Globus. In Bochum ist der Sitz des Unternehmens, das aus der 1920 gegründeten GEA hervorgegangen ist und das nach seinem Verkauf 2014 für angeblich 1,3 Milliarden Euro an das deutsch-schwedische Kapitalbeteiligungsunternehmen Triton in Kelvion umbenannt wurde. 120 Mitarbeiter fertigen in Herne, weitere 200 sind einen Steinwurf weit entfernt in der Firmenzentrale für die Verwaltung, den Vertrieb und die Entwicklung zuständig.

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Einziger Hersteller mit gesamter Produktpalette

Vor 100 Jahren in Bochum gegründet

Die Ursprünge von Kelvion gehen zurück bis ins Jahr 1920 als Otto Happel Senior in Bochum die Gesellschaft für Entstaubungsanlagen (GEA) gründete. In diesem Jahr feiert Kelvion sein 100-jähriges Jubiläum.

Heute ist das Unternehmen ein international tätiger Hersteller von industriell genutzten Wärmetauschern mit Hauptsitz in Bochum. Der Name Kelvion bezieht sich auf Lord Kelvin (bürgerlich William Thomson, 1824 - 1907). Er hat die Gesetze der Thermodynamik formuliert, die Einheit „Kelvin“ ist nach ihm benannt.

Die Produkte, Hunderte unterschiedliche Varianten des Wärmetauschers, werden offenbar weiter weltweit geschätzt – die Anwendung reicht von Kühlelementen auf den Dächern von Lebensmitteldiscountern bis zu großen Anlagen der Chemie- und Ölindustrie. „Unlängst hat uns eine Delegation des größten chinesischen Motorenherstellers Weichai besucht“, so Matthias Klein-Lassek. Allein in Herne verlassen jedes Jahr 4500 Aggregate die Fertigung. Kelvion sei der einzige Hersteller, der die gesamte Palette an Wärmetauschern anbiete – „von handflächengroßen bis zu fußballfeldgroßen Einheiten“. Die größten in Herne für Siemens hergestellten Aggregate sind zwölf Meter lang und 13 Tonnen schwer. Vor allem ins Ausland werden die Aggregate verkauft. Die Exportquote des Standorts Bochum/Herne liegt bei etwa 70 Prozent.

100 Jahre Kelvion. Stefan Postert (l.), stellvertretender Hauptgeschäftsführer der IHK Mittleres Ruhrgebiet, gratuliert mit einer Urkunde der IHK. Kelvion-Geschäftsführer Matthias Klein-Lassek (M.) und CEO Jürgen Vinkenflügel nehmen sie im Werk in Herne entgegen.
100 Jahre Kelvion. Stefan Postert (l.), stellvertretender Hauptgeschäftsführer der IHK Mittleres Ruhrgebiet, gratuliert mit einer Urkunde der IHK. Kelvion-Geschäftsführer Matthias Klein-Lassek (M.) und CEO Jürgen Vinkenflügel nehmen sie im Werk in Herne entgegen. © Andreas Rorowski

Dennoch gab es zwischenzeitlich Turbulenzen. Da die Kelvion-Dachgesellschaft Galapagos in die Insolvenz rutschte, drohte ein neuerlicher Verkauf der Bochumer. Doch der wurde nach Angaben des Konzerns abgewendet. Kelvion und das Schwesterunternehmen Enexio (Herne), das ebenso aus der früheren GEA-Wärmetauschersparte hervorgegangen ist, gehören nun zu einer neuen Holdingstruktur mit dem Namen „Mangrove Group“. „Die Mangrove Group hat von Triton signifikantes Eigenkapital erhalten, wodurch die Fremdverbindlichkeiten erheblich reduziert und die langfristige Unternehmensfinanzierung sichergestellt werden konnten“, so Kelvion-Sprecherin Karin Pyc.

Nahtlose Verbindung von Rohren und Rippen

In Bochum und Herne setzen sie derweil auf ihr jahrzehntelang entwickeltes Know-how, auf das sie mächtig stolz sind. Das Kernstück der Wärmetauscher-Produktion hier, so Geschäftsführer Klein-Lassek, sei die „Hochzeit“ der Rohre mit den mitunter Hunderten lasergeschnittenen Metallrippen. Manuell werde beides zusammengefügt und anschließend in einer in Herne exklusiv entwickelten Maschine zusammengefügt. Dabei werden durch die Rohre mit hoher Geschwindigkeit Kugeln geschossen, die die Rohre dehnen und so eine nahtlose Verbindung zwischen Rippen und Rohren schaffen.