Bochum. Armut und Verschuldung sind große Probleme in den Revierstädten. Auch in Bochum. In einigen Stadtteilen ist der Anstieg der Verschuldung extrem.

Geografisch liegt Bochum zwischen Essen und Dortmund. Eine andere Betrachtung verortet es zwischen Zweibrücken und Anhalt-Bitterfeld – und zwar im bundesweiten Ranking der überschuldeten Privathaushalte.

Es ist keine illustre Nachbarschaft. Schließlich liegen die rheinland-pfälzische Kleinstadt und der sächsische Landkreis auf den Plätzen 355 und 357 unter 401 Kommunen und Kreisen in Deutschland. Bochum belegt also Platz 356 – nah am Tabellenkeller.

Verschuldung über dem Landesdurchschnitt

„Damit liegt es noch vergleichsweise gut, wenn man das gesamte Ruhrgebiet betrachtet“, sagt Rainer Bovelet, Autor des bundesweiten Schuldneratlas. Bochum hat eine Schuldnerquote von 12,68 Prozent, ruhrgebietsweit liegt sie bei 14,30 Prozent und landesweit bei 11,72 Prozent. Aber Fakt ist: Trotz des Rückgangs der Arbeitslosigkeit und eines sich abzeichnenden wirtschaftlichen Aufschwungs bleiben viele Bochumer überschuldet.

Auch interessant

Ja mehr noch, die Zahl der überschuldeten Personen nimmt stetig zu. Seit Beginn der Erhebung im Jahr 2004 ist die Zahl der überschuldeten Bochumer von 33.100 auf 39.600 (2019) angestiegen, eine Zunahme von knapp 20 Prozent. Nie zuvor waren so viele Bochumer in einer derart prekären Lage.

Stärkster Anstieg in Bochum-Mitte

Und in einigen Stadtteilen ist sie besonders prekär. Nirgendwo hat die Verschuldung so stark zugenommen wie im Postleitzahlbereich 44878, Bochums Mitte. Dort ist die Quote auf mittlerweile 21,05 Prozent angestiegen, d. h. jeder Fünfte über 18 Jahre steckt finanziell in den Miesen. Das ist zum Teil dem starken Einwohnerschwund in dieser Gegend geschuldet, der mit 14,7 Prozent überdurchschnittlich hoch ausfällt. „Aber das alleine begründete die Zunahme der Verschuldungsquote nicht“, so Studien-Autor Bovelet.

Und „Mitte“ steht nicht alleine da. Auch in den Postleitzahlbereichen 44793 (Hamm, Hordel, Mitte, Weitmar, Wiemelhausen), 44809 (Grumme, Hamme, Hofstede, Mitte, Riemke) und 44866 (Günnigfeld, Sevinghausen, Wattenscheid, Westenfeld) fällt der Anstieg im Vergleich mit der ersten Erhebung vor gut 15 Jahren sehr deutlich aus.

Mittelschicht immer häufiger betroffen

„Das eher der Norden betroffen ist, wissen wir“, sagt Sozialdezernentin Britta Anger. So hat sich der Sozialbereich 2018 ausgiebig mit dem Thema Armut und damit auch mit Verschuldung beschäftigt. Mehr als eine Beschreibung der Situation ist dieser Bericht aber nicht. Genaue Gründe für die genannte Entwicklung sind noch nicht untersucht.

Stiepel hat die geringste Verschuldungsquote

Überschuldet sind Personen, denen es dauerhaft nicht gelingt, mit ihren monatlichen Einnahmen die monatlichen Ausgaben zu decken.

In Bochum ist Stiepel der Stadtteil mit der geringsten Verschuldungsquote (4,65 Prozent). Das ist der zweitbeste Wert im gesamten Ruhrgebiet hinter Essen-Heisingen (4,63) Zu den Top 20 im Revier gehört außerdem noch der Postleitzahlbereich 44799 (Altenbochum, Querenburg, Weitmar, Wiemelhausen).

Die höchsten Verschuldungsquoten in Bochum gab es 2019 in den den Postleitzahlbereichen 44787 (Mitte; 21,05 Prozent), 44866 (Günnigfeld, Sevinghausen, Wattenscheid, Westenfeld; 20,95) und 44809 (Grumme, Hamme, Hofstede, Mitte, Riemke; 19,17).

Es gibt einige Beratungsstellen in der Stadt, an die sich Betroffene wenden können, darunter: Bochumer Schuldner-Schutz, Sozialdienst katholischer Frauen, Verbraucherzentrale, Caritas und Madonna. Finanziert werde einige von ihnen aus Landesmitteln. Alle erhalten außerdem Geld aus einem eigens für die Schuldnerberatung in NRW eingerichteten Sparkassenfonds.

Einfache Erklärungsmuster gibt es ohnehin nicht: In den betreffenden Bezirken lebten nicht überproportional viele Hartz IV-Bezieher, so die Sozialdezernentin, Flüchtlinge seien von Überschuldung eher selten betroffen. Und: Mittlerweile sind längt nicht nur Menschen mit geringem Einkommen überschuldet. Im Sozialbericht 2018 heißt es, bundesweit kommen mehr Überschuldungsfälle in „gesellschaftlichen Leitmilieus“ vor als etwa bei Menschen in prekären Situationen. „Einen Schwerpunkt bilden die ‘mittleren Schichten’ der Gesellschaft, da sie mehr als 60 Prozent der Überschuldungsfälle stellen“. Schon 2017 hatten die Autoren des Schuldneratlas festgestellt, fast alle neuen Überschuldungsfälle stammten „aus der Mitte der Gesellschaft“. Hier gibt es mehr Artikel, Bilder und Videos aus Bochum

Kombination von Gründen

Dazu kommt, das es anders als früher meistens nicht einen einzigen Grund dafür gibt, dass dauerhaft die Ausgaben höher sind als die Einnahmen. Oft gibt es eine Kombination der häufigsten Ursachen für Überschuldung: Arbeitslosigkeit, Trennung, Erkrankung, Sucht, unwirtschaftliche Haushaltsführung. Eine große Rolle spielen außerdem Altersarmut, vor allem bei Frauen, und geringe Einkommen.