Bochum. Die Ruhrgebietsstädte gehören bundesweit zu den Kommunen mit den meisten überschuldeten Menschen. In Herne ist die Lage besonders prekär.

Die Zahl überschuldeter Menschen im Ruhrgebiet wächst und wächst – im achten Jahr in Folge. Nach Berechnungen der Wirtschaftsauskunftei Creditreform gab es im vergangenen Jahr in der Region fast eine halbe Million Schuldner. Mit einer Quote von 18,26 Prozent leben die meisten Schuldner in Herne, mit 11,13 Prozent ist die Schuldner-Quote im Ennepe-Ruhr-Kreis am niedrigsten.

„Das Ruhrgebiet bleibt mit seinen zum Teil noch altindustriell geprägten, strukturschwachen Regionen der Brennpunkt sozialer Problemlagen in Deutschland“, lautet die bittere Bestandsaufnahme im Schuldner-Atlas 2019, den die Creditreform am Donnerstag in Bochum veröffentlichte. Die Wirtschaftsauskunftei glaubt nicht an eine rasche Entspannung bei der Überschuldung. „Hohe Arbeitslosigkeit, Einkommensarmut und hohe soziale Transferleistungen bilden auch in Zukunft eine prekäre Gemengelage“, heißt es zur Prognose.

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Nach Definition der Creditreform gelten all jene Menschen als überschuldet, denen es dauerhaft nicht gelingt, mit ihren monatlichen Einnahmen die monatlichen Ausgaben zu decken. Im Ruhrgebiet waren das im vergangenen Jahr 485.651 Menschen über 18 Jahre – fast 3000 mehr als 2018. Die Brisanz wird beim Vergleich zum Jahr 2011 deutlich, als noch 63.400 Bürger weniger überschuldet waren als aktuell.

14,3 Prozent der Menschen im Ruhrgebiet sind überschuldet

Ruhrgebietsweit betrug die Schuldnerquote im vergangenen Jahr 14,30 Prozent. Das waren 0,11 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Zum Vergleich: In NRW stieg die Quote nur um 0,03 Prozent auf 11,72 Prozent. Im Bundesdurchschnitt sank sie sogar um 0,04 Prozent auf 10,0 Prozent. Eine rückläufige Überschuldung im Revier verzeichnete allein die Stadt Dortmund – um 0,11 Prozent auf 14,33 Prozent. Den größten Anstieg mit 0,32 Prozent auf 17,52 Prozent hatte dagegen Duisburg zu verkraften. Bei den absoluten Zahlen wurde der stärkste Anstieg der Schuldner-Zahl in Essen registriert: um 1,68 Prozent auf 69.526 Betroffene.

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Die soziale Lage in den Kommunen unterscheidet sich freilich von Stadtteil zu Stadtteil. Deshalb hat sich Creditreform auch alle 190 Postleitzahlen-Bezirke im Ruhrgebiet angeschaut. 45 Prozent liegen im dunkelroten Bereich, weil sie eine Schuldnerquote von 14 Prozent und mehr aufweisen. Nur 37 Bezirke – das sind 19 Prozent – schaffen es in den grünen Bereich mit Schuldnerquoten unter neun Prozent.

Die „stärksten Schuldnerbrennpunkte“, wie es im Atlas der Creditreform heißt, liegen mit 29,01 Prozent in den Duisburger Stadtteilen Ruhrort und Laar mit der Postleitzahl 47119 sowie in Dortmunder Nordstadt mit der Postleitzahl 44145 und 28,55 Prozent. Die geringsten Quoten des Ruhrgebiets wurden in den Essener Stadtteilen Heisingen (4,63 Prozent) und Stadtwald (5,41 Prozent) sowie in Bochum-Stiepel (4,65 Prozent) gemessen.

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Die Statistik offenbart vor allem das Gefälle in der Stadt Duisburg: Unter den 20 Postleitzahlen-Bezirken mit den höchsten Schuldner-Quoten im Ruhrgebiet befinden sich sieben Stadtteile, aber auch drei mit sehr niedrigen Zahlen überschuldeter Bürger: Baerl, Großenbaum/Rahm und Rumeln-Kaldenhausen.

Die meisten Schuldner leben in Bremerhaven

Herne ist dagegen die Stadt mit der vierthöchsten Schuldnerquote in Deutschland, mehr Schuldner gibt es nur in Bremerhaven, Neumünster und Pirmasens. Das Negativ-Ranking der Städte mit mehr als 400.000 Einwohnern führen jedoch drei Revierkommunen an: Duisburg, Dortmund und Essen.

Als Ursachen für die Überschuldung von Privatpersonen hat das Statistische Bundesamt eine Liste der „Big six“ ermittelt: An erster Stelle steht die Arbeitslosigkeit (20,2 Prozent der Fälle). Gefolgt von Gründen wie Erkrankung, Sucht, Unfall (17,0 Prozent), unwirtschaftliche Haushaltsführung (13,5 Prozent), Trennung, Scheidung, Tod (13,3 Prozent), längerfristiges Niedrigeinkommen (8,9 Prozent) und gescheiterte Selbstständigkeit (8,6 Prozent).