Bochum. Wie werden stationärer und Onlinehandel besser verzahnt? Und wie kommen Waren klimaneutraler zu den Menschen? Bochum sucht Antworten darauf.

Bislang stehen sich der Handel vor Ort und der Handel im Internet als große Rivalen unversöhnlich gegenüber. In Bochum und in einigen Nachbarstädten wird nun ausgelotet, wie beides zusammen gedacht und tatsächlich miteinander kombiniert werden kann.

Die IHK Mittleres Ruhrgebiet und die TU Dortmund wollen gemeinsam Vorschläge für eine klimagerechte Handelslogistik machen. Dazu haben sie das Projekt „Bundle up“ gegründet, mit dem sie erfolgreich an einem Wettbewerb des NRW-Wirtschaftsministeriums teilgenommen haben. Nun stehen zwei Jahre Zeit und 140.000 Euro zur Verfügung, um digitalen und stationären Handel gemeinsam zu organisieren und „sinnvolle Vorschläge zu einer klimagerechten Handelslogistik zu machen“, wie es in einer Mitteilung der Projektpartner heißt.

Abgabe- und Abholstation

„Wir alle bestellen im Internet. Die Paketflut wird größer. Die Innenstädte sind voll von Lieferfahrzeugen. Gleichzeitig wollen wir alle emissionsfreie Innenstädte. Wir müssen also was tun“, sagt IHK-Handelsexpertin Jenni Duggen. Angesichts von Leerständen in Innenstädten und Stadtteilen biete sich als eine denkbare Lösung an, leere Ladenlokale als Paketstationen zu nutzen. Sie können Anlieferstation für Paketdienstleister sein, die von ihren Depots mit klimafreundlichen Fahrzeugen „die letzte Meile“zurücklegen.

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Sie können aber auch Abgabe- und Abholstation für Bürger sein. „Die Zustellung der Pakete nach der Online-Bestellung wird sicherlich irgendwann etwas kosten. Wir müssen also raus aus der Komfortzone der eigenen Wohnung. Dezentrale Depots irgendwo in der Innenstadt, wo man nach dem Friseurbesuch vorbei geht und sein Paket mitnimmt, sind sicherlich eine denkbare Option“, sagt Jenni Duggen.

Ansätze auch in München und Hamburg

Auch andernorts wird bereits über Modelle wie diese nachgedacht. „Es gibt erste Ansätze in München und Hamburg“, so Auffermann. IHK und TU möchten nun herausfinden, ob es auch in mittleren und kleineren Städten gelingen kann, stationären Handel und Onlinehandel zu verzahnen.

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In Bochum könnten Vorschläge ganz besonders auf fruchtbaren Boden stoßen. Schließlich haben hier der Umbau der Innenstadt, aber auch die Veränderungen ganzer Stadtteile wie in Laer und Langendreer begonnen. „Die Art und Weise, wie wir Logistik organisieren, hat unmittelbaren Einfluss auf die Stadtentwicklung“, sagt IHK-Handelsexpertin Duggen. Das Ziel seien emissionsfreie Innenstädte und Stadtteilzentren, in denen es Spaß mache, sich aufzuhalten, und in denen Leben herrsche.

Partner unterschreiben Erklärung

Die Idee kommt an. Die Bochum Wirtschaftsentwicklungsgesellschaft (Bowe), die Initiative Bochumer City (IBO), der Immobilieninvestor Landmarken, die Gesellschaft für kommunale Elektromobilität e-cargo und die Agentur für Laden- und Messebau Vivamo haben bereits eine Absichtsklärung unterschreiben. Sie wollen sich an dem Projekt beteiligen. Dazu kommen weitere Partner in Herne, Hattingen und Witten, den anderen Städten im Einzugsbereich der IHK MIttleres Ruhrgebiet. Hier gibt es mehr Artikel, Bilder und Videos aus Bochum

Im April soll die zweijährige Projektphase beginnen. „Zuerst einmal müssen wir eine Bestandsaufnahme machen“, sagt IHK-Trendscout Christiane Auffermann. In Frage kommen nicht nur leerstehende Ladenlokale. Auch Parkhäuser und andere Immobilien sind Teil der Überlegungen. Die Depots sollen anbieterunabhängig genutzt werden. Wer sie betreibt, sei auch Gegenstand der nun anlaufenden Projektphase, so IHK-Sprecher Jörg A. Linden. Ein Betreiber könnte etwa das Startup-Unternehmen Pick-up Space aus Dortmund sein. „Es mach sich bereits Gedanken darüber, eine Station zu eröffnen, in der es auch ein Café sowie Umkleidekabinen geben soll“, sagt Christiane Auffermann. Zugesendete Kleidung, die nicht passt, könnte von dort gleich wieder zurückgeschickt werden.