Bochum. Im Schauspielhaus notiert: Wann „Iwanow“ zuletzt in Bochum zu sehen war, wer alles im Publikum saß. Und warum Intendant Simons Buh-Rufe bekam.

Ausverkauft! Die „Iwanow“-Premiere geriet am Samstag 18. Januar im Schauspielhaus Bochum zu einem gelungenen Abend auch für das Publikum. Nachdem das Große Haus über einen Monat wegen des Wasserschadens dicht war, waren alle froh, dass es nun endlich weitergeht. Und dann gleich mit einem veritablen Erfolg, mit Erlebnistheater und hoher Schauspielkunst pur.

Zehn Minuten währte der Schlussapplaus, mit dem das Publikum das abgekämpfte Ensemble nach fast vier Stunden Vorstellung in die Premieren-Feier entließ. Unter den Beifall mischten sich drei, vier Buhs, als Johan Simons die Bühne betrat und sich verbeugte. Sie ebbten aber schnell ab.

Das Stück war zuletzt 2004 in Bochum zu sehen

Wie sie wohl gemeint gewesen waren? Auf die Aufführung selbst konnte sich die Unmutsäußerung kaum beziehen. Man könnte über Inszenierungsdetails und die etwas lang geratene 2. Hälfte streiten, aber dass der Regisseur und seine Schauspieler/innen dem Geist Tschechow’scher Dramenkunst gerecht werden, darüber besteht objektiv kein Zweifel. Langsamkeit, Stille und das Beharren auf der Unveränderlichkeit der Veränderung sind wesentlich in allen Stücken des russischen Meisters; alles findet sich in diesem „Iwanow“ wieder. Schon das zeitlupenhafte Sich-Heben des Eisernen Vorhangs am Vorstellungsbeginn scheint ein Fingerzeig zu sein.

Auch interessant

Doch muss man ebenso zugestehen, dass es auch nach eineinhalb Jahren nicht wenige Bochumer Theaterfreunde gibt, die mit Simons’ Intendanz fremdeln. Die mit seinem internationalen Ensemble immer noch nicht warm geworden sind. Die das Plus an Experimentellem („After Work“, „Alle Jahre wieder“, „2064“, Kunstaktionen im Oval Office) gegenüber dem handfesten Theater irritiert. Die „Schauspielhaus Bochum“ erwarten und (manchmal) noch zu oft „Ruhrtriennale“ bekommen.

Viele bekannte Gesichter im Publikum

Eine oft gestellte Frage im Foyer war, wann „Iwanow“ das letzte Mal an der Königsallee geboten wurde. 2004 inszenierte der damalige Intendant Matthias Hartmann das Tschechow-Stück, allerdings nicht wie diesmal im Großen Haus, sondern in den Kammerspielen. Michael Maertens, inzwischen am Burgtheater Wien, spielte die Titelrolle. Lange her.

Jele Brückner als leidende Anna Petrowna, die von ihrem Mann Nikolaj Iwanow (Jens Harzer) nicht wirklich liebevoll behandelt wird.
Jele Brückner als leidende Anna Petrowna, die von ihrem Mann Nikolaj Iwanow (Jens Harzer) nicht wirklich liebevoll behandelt wird. © Monika Rittenhaus

Im Publikum konnte man viele bekannte Gesichter entdecken. Die Bochumer Kulturpolitik war in Person von Dieter Fleskes (Vorsitzender Kulturausschuss) und Dezernent Dietmar Dieckmann, jeweils nebst Gattin, prominent vertreten. Auch sahen zahlreiche Schauspieler/innen zu, wie sich die Kollegen auf der Bühne so machten. Friederike Becht, einer der Publikumslieblinge der Ära Weber, war ebenso zugegen wie Marina Galic, die „Marianne“ in Karin Henkels viel gelobten „Geschichten aus dem Wiener Wald“ und Lebensgefährtin von Hauptdarsteller Jens Harzer.

Viel zu sehen gibt es auch jenseits des Spiels

Viel zu sehen gibt es in „Iwanow“ übrigens auch jenseits des Spiels. Die Rückwand der großen Bühne hat Bühnenbildner Johannes Schütz als ausladende Regalfront gestaltet: Sie wird zum Arsenal und zur Ablage nicht nur für zitatenhafte Gegenstände wie dem Cello, dem Samowar, dem Teegeschirr und der Menora, dem siebenarmigen Leuchter des Judentums, sondern auch für die Schauspieler. Sie warten hier auf ihren Einsatz, manchmal warten und stehen und sitzen sie lange. Jele Brückner hat’s da etwas bequemer, als tuberkulosekranke Anna Petrowna darf sie während ihrer Spiel- und Sprechpausen das Bett hüten.