Bochum. Im Knappschaftskrankenhaus gibt es in Bochum ein starkes Zentrum für Transplantationsmedizin. Abgeordnete positionieren sich unterschiedlich.
Mit großer Erwartung, aber auch einer gewissen Anspannung blickt Prof. Richard Viebahn, Direktor der Chirurgischen Universitätsklinik am Knappschaftskrankenhaus, heute nach Berlin, wo der Bundestag über die Neuregelung der Organspende in Deutschland abstimmt. „Ich mache keinen Hehl daraus, dass für mich und die meisten Transplantationsmediziner in Deutschland die Widerspruchslösung diejenige ist, die der Lebenswirklichkeit der meisten Menschen am nächsten kommt.“
Viebahn erinnert an die rund 10.000 Patienten und Patientinnen in Deutschland, die derzeit auf den Wartelisten für eine Organtransplantation stehen. „Ich fühle mich auch all den Selbsthilfegruppen verpflichtet, denen dann besser weiterzuhelfen ist“, sagt der renommierte Chirurg. Gleichzeitig respektiere er ausdrücklich die Haltung derjenigen, die auf eine freiwillige Erklärung zur Organspende setzen. „Ich glaube allerdings, dass es nicht funktionieren würde, wenn die Menschen etwa bei der Ausstellung von Ausweispapieren sich gleichzeitig zu diesem Thema erklären müssten. Ich fürchte sogar, dass bei diesem Verfahren die Zahl der Spender weiter absinken könnte.“
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Am Knappschaftskrankenhaus in Langendreer erhielten im vergangenen Jahr 65 Patienten insgesamt 90 Organe. Das Krankenhaus liegt mit annähernd 700 Bauspeicheldrüsentransplantationen seit Gründung auf Platz eins in Mitteleuropa. Seit 1993 wurden in Langendreer mehr als 2000 Nieren transplantiert, was das Haus unter die ersten fünf Plätze bringt. Darüber hinaus hält es mit der kombinierten Pankreas-/Nierentransplantation bundesweit seit vielen Jahren den Spitzenplatz.
Prof. Viebahn betont mit Blick auf die Abstimmung: „Natürlich ist uns klar, dass nach der Abstimmung automatisch vor der Umsetzung bedeutet.“ Viel Arbeit für die Fachleute, denn die neuen Regelungen müssen in der praktischen Arbeit der Ärzte Anwendung finden.
SPD-Abgeordnete informierten sich im Krankenhaus
Am vergangenen Samstag besuchte eine Delegation von SPD-Bundestagsabgeordneten, darunter der Bochumer Axel Schäfer, das Knappschaftskrankenhaus, um sich vor der Abstimmung in Berlin über die Transplantationsmedizin zu informieren. Schäfer gehört zu denjenigen Abgeordneten, die sich in einem überparteilichen Entwurf für die sogenannte „doppelte Widerspruchslösung“ stark machen.
Nachsorgeambulanz im Knappschaftskrankenhaus
Das Transplantationszentrum verfügt über eine eigene Station sowie eine Nachsorgeambulanz. Organtransplantierte Patienten werden dort operiert und danach optimal auf die nötigen Medikamente eingestellt.
Seit vielen Jahren arbeitet die WAZ beim Nachtforum Med izin eng mit dem Knappschaftskrankenhaus zusammen, gerade auch bei der Transplantationsmedizin. Das nächste Nachtforum zum Thema „Lebererkrankungen“ findet übrigens am 5. März, 17 Uhr, statt. Den Termin sollte man sich jetzt schon vormerken.
„Ein Grund, weshalb ich mich so positioniere, ist, dass beinahe alle, die im Gesundheitsbereich aktiv sind, diese Haltung unterstützen“, erläutert Schäfer. Seit Jahren setzt sich der Bundestagsabgeordnete auch in seinem persönlichen Umfeld für eine erhöhte Bereitschaft zur Organspende ein. Mit Blick auf die Abstimmung findet er: „Es gibt im Bundestag selten Debatten, die allein aus den Sachfragen heraus geführt werden, um so wichtiger sind gerade diese Abstimmungen.“
Michelle Müntefering setzt auf Entscheidungslösung
Die parlamentarische Staatssekretärin Michelle Müntefering (SPD), die für den Bochumer Norden und Herne im Bundestag sitzt, orientiert sich anders: „Ich habe mich mit diesem Thema sehr lange und intensiv beschäftigt und mich auch mit Bürgerinnen und Medizinern aus Bochum ausgetauscht. Ich werde für die Entscheidungslösung stimmen. Dieser Antrag will die Spendenbereitschaft der Menschen erhöhen, in dem er z.B. ein digitales Register vorsieht, in das man seine Entscheidung eintragen kann.“
Für sie sei das wichtig, denn von vielen Menschen, die potenzielle Organspender sind, wisse man das heute gar nicht. So könnten es im Zweifelsfalle die Rettungssanitäter feststellen, wenn es zu einem Unfall komme. „Ich selbst habe seit 20 Jahren einen Ausweis. Eine Spende, meine ich, sollte die Organabgabe aber bleiben und kein Automatismus werden“, begründet Müntefering ihre Auffassung.
Eingriff in die Persönlichkeitsrechte
Der Bochumer Grünen-Abgeordnete Frithjof Schmidt argumentiert in eine ganz ähnliche Richtung: „Ich unterstütze den Antrag, der eine Fortentwicklung der bisherigen Zustimmungslösung will. Bürgerinnen und Bürger sollten zu Lebzeiten eigenständig über eine Organentnahme entscheiden müssen. Um die Akzeptanz von Organspenden zu verbessern, soll in regelmäßigen Abständen, zum Beispiel bei der Ausweisabholung im Meldeamt, auf die Möglichkeit zur Organspende hingewiesen werden.“ Er hält den Vorschlag, der von einer automatischen Zustimmung zur Organentnahme ausgeht wenn nicht ausdrücklich widersprochen wurde, für einen zu starken Eingriff in die Persönlichkeitsrechte.“