Das Transplantationszentrum des Knappschaftskrankenhauses zählt zur deutschen Spitzengruppe. WAZ-Nachtforum beleuchtete Zukunft der Organspenden.

„Menschen ein neues Leben zu geben“: Das ist und bleibt Aufgabe des Transplantationszentrums des Knappschaftskrankenhauses Langendreer, das sein 25-jähriges Bestehen feiert. Beim WAZ-Nachtforum blickten Direktor Prof. Richard Viebahn und sein Team zurück – und in die Zukunft.

200 Leser füllten am Donnerstagabend trotz des gleichzeitigen WM-Auftakts die Klinik-Cafeteria; darunter viele Patienten, die in Langendreer in den vergangenen Jahren ein neues Organ erhalten haben. 2541 Eingriffe waren es seit der Eröffnung 1993. 1950 Nieren und 591 Bauchspeicheldrüsen wurden verpflanzt. Damit zählt das Zentrum zur Spitze in der deutschen Transplantationsmedizin.

Die sieht sich einem „Desaster“ (Prof. Timm Westhoff vom Marienhospital Herne) gegenüber. Die Transplantationsskandale der jüngsten Vergangenheit haben das Vertrauen in die gerechte Verteilung der Spenderorgane nachhaltig erschüttert. Mit 797 Spendern (nochmals 60 weniger als im Vorjahr) wurde 2017 in Deutschland ein neuer Tiefpunkt erreicht. Folge: Die Wartezeit für eine neue Niere liegt inzwischen bei acht Jahren. Ein Zeitraum, den viele Dialyse-Patienten nicht überleben.

Klares Ja zur Widerspruchslösung

Die Widerspruchslösung gilt Medizinern als Ausweg aus dem Dilemma. Das heißt: Die Menschen müssen ausdrücklich „Nein“ sagen, wenn sie gegen eine Organentnahme nach ihrem Tod sind. Sonst werden sie automatisch zum Spender. Zahlreiche Länder in Europa hätten damit hervorragende Erfahrungen gemacht, wirbt Prof. Viebahn, ein vehementer Verfechter der Widerspruchslösung. So liege die Zahl der Organspender etwa in Österreich um das Zweineinhalbfache höher als in Deutschland.

Als „unerträglich“ empfindet es Bärbel Brünger vom Verband der Ersatzkassen, „dass sich so viele Menschen keine Gedanken über das so wichtige Thema Organspende machen“. Die Widerspruchslösung würde dazu zwingen, eine Entscheidung zu treffen – auch aus Rücksicht auf die Angehörigen, die nach einem Hirntod oft ratlos und überfordert seien, ob eine Organspende infrage kommt. Dabei ist das Alter nicht relevant: Die älteste Niere, die in Langendreer verpflanzt wurde, stammte von einer verstorbenen 93-Jährigen.

Bruder spendet eine Niere

Schon zu Lebzeiten hat Michael Leister (44) geholfen. Beim WAZ-Nachtforum war der Sprockhöveler mit seinem älteren Bruder Holger zu Gast: einem eingefleischten BVB-Fan, Typ Kerl wie ein Baum, der nach zermürbenden Jahren der Dialyse viel von seinem Lebensmut verloren hatte. „Mir war klar: Ich mach’ das“, berichtet Schalke-Fan Michael. Vor einem Jahr wurde ihm in Langendreer eine Niere entnommen und seinem Bruder eingepflanzt. Heute ist Holger „bei bester Gesundheit“ – und nach Monaten der Angst vor einer Abstoßung des Organs dem Bruder auf ewig dankbar für sein neues Leben. WAZ-Berichte über das Brüderpaar zeigten Wirkung: Borussia Dortmund lud den blau-weißen Michael zu einem Spiel ein. „Von Schalke dagegen“, lästert Holger, „ist nix gekommen...“

>>Experten: Organspenden bleiben unverzichtbar

Organspenden und -verpflanzungen werden in den nächsten Jahren, womöglich Jahrzehnten unverzichtbar bleiben. Zu dieser Einschätzung gelangten die Fachärzte beim WAZ-Nachtforum.

Diabetes-Typ-1-Patienten verspreche allein eine neue Bauchspeicheldrüse (meist in Kombination mit einer Niere) dauerhafte Heilung, sagt Dr. Peter Schenker, geschäftsführender Oberarzt der Chirurgischen Klinik am Knappschaftskrankenhaus. Noch sei keines der heutigen Hilfsmittel ein gleichwertiger Ersatz – obwohl die Medizin bei der künstlichen Pankreas Fortschritte mache und den Patienten das Leben erleichtere.

Der Weg zum künstlichen Organ ist sehr weit

Das gilt auch für die Eingriffe und die Nachbehandlung. Bei Lebendspenden von Nieren seien inzwischen nur noch kleine „Schlüssellochschnitte“ erforderlich, erklärt Leitender Oberarzt Andreas Wunsch. Bei der Verpflanzung indes komme noch die alte, großflächigere OP-Technik zum Einsatz.

Unverzichtbar bleibe nach einem Eingriff auch die regelmäßige Medikamenten-Einnahme, schildert Prof. Timm Westhoff , Direktor der Medizinischen Klinik am Marienhospital Herne. Auch hier sei die Entwicklung weit fortgeschritten. Die Gefahr der Abstoßung des fremden Organs könne ebenso effektiv gebannt werden wie Nebenwirkungen. Nicht umsonst sei die Erfolgsquote so hoch: 90 Prozent der Transplantierten klagten ein Jahr nach dem Eingriff über keinerlei Beschwerden mehr.

Umso dringlicher, so der Appell der Fachärzte beim WAZ-Forum, sei es, die Zahl der Organspenden deutlich zu erhöhen. Denn: „Der Weg zu künstlichen Organen wird noch sehr, sehr weit sein.“

>>Vorträge können online nachgelesen werden

Die Vorträge des WAZ-Nachtforums können auf der Internetseite des Knappschaftskrankenhauses nachgelesen werden:
www.kk-bochum.de

Das nächste Nachtforum in Langendreer folgt am Donnerstag, 20. September, um 19 Uhr. Das Thema dann: Vorsorgeuntersuchungen in der Inneren Medizin.