Bochum-Mitte. Studierende der Evangelischen Hochschule Bochum eröffnen ein Klohaus am Nordring in eine Geisterbahn. Für Gruseleffekte sorgen Genderklischees.

Nur ein letztes Mal soll es noch so sein: Damen durch die linke Tür, Herren durch die rechte Tür - strikt getrennt. Ganz so, wie es zu früheren Zeiten am Schwanenmarkt ablief – als das dortige Gebäude noch als Kiosk und Bedürfnisanstalt genutzt wurde. Heute ist das graue und unscheinbare Häuschen am Nordring in Bochum Teil einer Kunstinstallation. Im Rahmen eines „Tapetenwechsels“ wird es zum „Labor für Kunst und soziale Recherche“ umfunktioniert, bis Ende 2020 nutzen Studierende der Evangelischen Hochschule das Gebäude.

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Die Besucher erwartet nach dem Eintreten deshalb auch kein klassisches Toilettenszenario mehr, sondern eine skurrile und humorvolle Kunstcollage, die sich dem Thema Gender in überspitzter Weise widmet. Geisterbahn, das heißt hier: Den Schauer erzeugen BHs oder Krawatten, die von den Decken baumeln, für Schrecken sorgen Brüste aus Pappmache ebenso wie Kondomautomaten oder rosa Ballons.

Studierende der Evangelischen Hochschule Bochum renovieren Toilettenhäuschen

Statt Geisterstimmen laufen im Hintergrund Schminktutorials und Lehrvideos über den Paarungsakt von Fledermäusen. „Wir kippen heterosexuelle Genderdifferenzen ins Absurde“, erklärt Matthias Schamp, künstlerischer Leiter des Projekts. Gemeinsam mit Helene Skladny, Gilbert Geister, Sebastian Strsembski und mehreren Uni-Seminaren im Modul „Ästhetische Bildung“ renoviert er den Schwanenmarkt.

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Nach jeder Bauphase soll gefeiert werden, wie auch bereits am 9. November, als die Mauern eingerissen wurden. „Als dann alles in Schutt und Asche lag, kamen wir schnell auf die Idee einer Geisterbahn, um den Ort zu bespielen. Das sah nämlich echt gruselig aus“, sagt Skladny. Mittlerweile ist das Dach fast dicht. Von der Idee bis zur Umsetzung dauerte es fast ein ganzes Semester: „Wir haben uns zunächst überlegt, was ist typisch Mann, was ist typisch Frau. Mit diesen Klischees haben wir gespielt“, sagt Jana Moll, Studentin der Sozialen Arbeit.

Gender-Geisterbahn in Bochum will Klischees hinterfragen

Ein Pissoir gefüllt mit Kinderspielzeug – in einem Projekt haben sich Bochumer Studierende der Evangelischen Hochschule mit Gender-Klischees beschäftigt.
Ein Pissoir gefüllt mit Kinderspielzeug – in einem Projekt haben sich Bochumer Studierende der Evangelischen Hochschule mit Gender-Klischees beschäftigt. © FUNKE Foto Services | Dietmar Wäsche

Herausgekommen sind dabei mit Kinderspielzeug befüllte Pissoirs – Matchboxautos und Pferdchen streng getrennt. Die Wände sind mit Stickern und Playboy-Magazinen beklebt, Sprüche wie „Rote Lippen soll man küssen“, stehen darauf. Bei den Besuchern führt einiges davon zu Irritation, aber genau das wollen die Studierenden auch. „Man soll über die Klischees hinausdenken und sie hinterfragen“, sagt Studentin Marlen Steinbrich, die als gruselige Barbiepuppe verkleidet ist.

„Ich muss erstmal einen zweiten Rundgang machen, um mir alles noch einmal anzuschauen“, sagt Besucherin Annette Scheidereit. Regina Czajka ist begeistert: „Ich bin hier schon so oft vorbeigefahren und finde es toll, mal in das Gebäude zu können.“ Ihrer Erfahrung nach mache der Begriff „Gender“ vielen Menschen emotional zu schaffen und es entstünden schnell hitzige Diskussionen. „Umso besser, das Ganze hier mal so witzig zu erleben“, findet sie.

Toilettenhäuschen am Schwanenmarkt: Neue Projekte sind in Planung

Die Gender-Geisterbahn

Der Projektraum in dem ehemaligen Kiosk und der einstigen Bedürfnisanstalt wurde am 9. November als „Labor für Kunst und soziale Recherche“ eröffnet.

Der Zugang zur „Gender-Geisterbahn“ erfolgte für männliche und weibliche Besucher strikt getrennt – es gab aber auch einen Durchschlupf für weitere Geschlechter.

In Zukunft planen die Künstler unter anderem eine historische Ausstellung, die sich mit der Geschichte des Ortes befasst.

Matthias Schamp sagt: „Wir zeigen, dass die Welt ein Gestaltungsspielraum ist, dessen Strukturen wir uns nicht einfach aussetzen müssen. Wir können sie mitgestalten.“ Am Schwanenmarkt wird das auch in Zukunft passieren: Wir machen Sachen, die man in einem Museum nicht so einfach machen könnte“, so Schamp. Neue Projekte sind bereits in Planung.

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