Bochum. Auch in Bochum gibt es Kritik an zu lauten Martinshörner. Die Feuerwehr reagiert empört. Ein HNO-Arzt erklärt, ob der Signalton gefährlich ist.
Auch in Bochum gibt es Protest gegen angeblich zu laute Martinshorn-Einsätze der Feuerwehr. Ein Anwohner der Huestraße kritisiert, dass die Rettungskräfte im Bereich des Hauptbahnhofes zu häufig mit dem Warnsignal ausrückten. Feuerwehr-Chef Simon Heußen reagiert auf WAZ-Anfrage entrüstet: „Es fällt mir schwer, dabei sachlich zu bleiben.“
In Mettmann ist die Aufregung seit dem Wochenende groß. Nach einem mutmaßlichen Hochhausbrand war bei der örtlichen Feuerwehr eine E-Mail eingegangen. Darin kündigen Anwohner an, Anzeige wegen Körperverletzung zu erstatten, „sollten noch ein einziges Mal die Einsatzfahrzeuge in der lautesten Sirenenfrequenz durch die Innenstadt fahren, obwohl (...) weder Autos noch Fußgänger unterwegs“ seien. Die Rettungskräfte werden in der Zuschrift als „Wilde“ bezeichnet.
Anwohner des Hauptbahnhofs klagt über zu laute und zu viele Einsätze
Jährlich 60.000 Einsätze fährt der Rettungsdienst der Feuerwehr in Bochum. Nicht selten geht es um Leben oder Tod. „Dies allein aufgrund des Notrufes einzuschätzen, ist oft unmöglich“, schildert Simon Heußen. Deshalb gelte: Sobald Eile geboten erscheint, jede Sekunde zählen könnte, machen sich die Einsatzfahrzeuge mit Blaulicht und Martinshorn auf den Weg. Beide Signale seien erforderlich, um möglichst zügig und sicher zum Einsatzort zu gelangen, betont Heußen: „Blaulicht allein hat keine weisende Wirkung für die Verkehrsteilnehmer.“
Facharzt: Kein Schaden durch Martinshorn
Dr. Jan Peter Thomas hat nachgeschaut: Auf 109 Dezibel bringt es ein durchschnittliches Martinshorn. „Das entspricht einer Kettensäge“, sagt der Facharzt an der HNO-Universitätsklinik im Elisabeth-Hospital.
Ein derartiger Lautstärkepegel sei zwar unangenehm und könne sogar psychisch belastend wirken. „Allerdings nicht, wenn man – anders als etwa bei einem zweistündigen Rockkonzert – nur für wenige Sekunden damit konfrontiert wird, auch mehrfach täglich“, so Thomas.
Ein „akutes Lärmtrauma“ drohe erst bei bei 130 Dezibel. Heißt für den Experten: „Ein Martinshorn reicht nicht aus, um einen nachweisbaren gesundheitlichen Schaden zu verursachen.“
Besonders häufig ist schnelle Hilfe im Bereich des Hauptbahnhofs gefragt. „Das geht mitunter sechs- bis zehnmal täglich so, von morgens um 6.30 Uhr bis in die Nachtstunden“, sagt der Anwohner, der seinen Namen nicht in der WAZ lesen will. Seine Beobachtung: Die Einsatzfahrten am Kurt-Schumacher-Platz seien deutlich gestiegen. Und damit die Belastungen für die Anwohner, die regelmäßig aus dem Schlaf gerissen würden. „Ich habe nichts gegen die Feuerwehr“, sagt der Leser. „Aber muss denn für jeden Betrunkenen gleich das Martinshorn eingeschaltet werden, egal zu welcher Zeit? Das geht auf meine Gesundheit!“
Feuerwehr-Chef: Martinshorn ist erforderlich
Simon Heußen bestätigt: Am und im Hauptbahnhof müssen mehr hilflose Personen als andernorts versorgt werden. „Das ist auf jedem Bahnhof der Welt so, ohne dass man bei der Alarmierung sicher weiß, in welchem Zustand sich der Mensch befindet.“ Die Kritik des Anwohners weist der Feuerwehr-Chef daher entschieden zurück. „Das Martinshorn ist zwingend erforderlich, um nicht von der Straße gefegt zu werden. Natürlich machen wir keinen Unterschied, ob es drei Uhr nachmittags oder nachts ist.“
Dabei übe die Feuerwehr bereits Rücksicht. Heußen: „Sind wir nachts auf leeren Straßen unterwegs, schalten wir das Martinshorn auf freier Strecke zwischen den Ampelkreuzungen auch mal ab, obwohl wir das nicht müssten.“ Und: Um die Anwohner der drei Wachen im Stadtgebiet zu schonen, werden die Ampeln im Umfeld beim Ausrücken für Autofahrer und Fußgänger automatisch auf Rot gestellt, bis die Einsatzfahrzeuge passiert haben. „Erst dann stellen wir die Sondersignale ein.“
Autofahrer hängen sich an Einsatzfahrzeuge
Simon Heußen ärgert sich über die „unsägliche“ Diskussion um Martinshörner: „Wir machen das ja nicht, um jemanden zu ärgern, sondern um Leben zu retten.“ Dabei spart auch der Feuerwehr-Chef nicht mit Kritik. Immer mehr Autofahrer drehten die Musik im Wagen so laut, dass sie den Warnton der Einsatzfahrzeuge nicht mehr hören und gefährliche Situationen herauf beschwören. Und: „Wir sehen es immer wieder, dass sich Autofahrer an uns ,dranhängen’, um freie Fahrt zu haben. Da erlebt man die dollsten Dinge!“