Bochum. An der Ruhr-Uni Bochum gibt es in den kommenden fünf Jahren eine Studie zu Flüchtlingsgesundheit. Sie wird mit 2,9 Millionen Euro gefördert
Die Hälfte aller erwachsenen Flüchtlinge leidet unter psychischen Problemen wie Depressionen, Angststörungen oder posttraumatischen Belastungsstörungen. Sprachbarrieren und kulturelle Unterschiede erschweren die Behandlung – weiß Prof. Silvia Schneider von der Ruhr-Universität in Bochum: „Das Aufwachsen mit einem psychisch erkrankten Elternteil ist ein großer Risikofaktor für die Entwicklung der Kinder.“ Dort setzten sie und ihr Team mit einer Studie zur „psychischen Gesundheit von geflüchteten Familien“ an.
„Geht es den Eltern gut, geht es häufig auch den Kindern gut“, weiß die Psychologin. Bei Eltern, die eine Flucht aus ihrem Heimatland hinter sich haben, sei das aber häufig nicht der Fall. Mit der Studie, die im Juni dieses Jahres gestartet ist, möchte sie vorbeugen und eine Kurzbehandlung in den Arztpraxen entwickeln.
Studie richtet sich an Kinder unter sechs Jahren
Die Studie, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung ausgeschrieben wurde, richtet sich an Flüchtlingskinder, die nicht älter als sechs Jahre alt sind und mindestens ein psychisch belastetes Elternteil haben. An die Familien wollen die Psychologen über Hausärzte kommen. „Hausärzte sind bei Problemen oft der erste Ansprechpartner“, erklärt Schneider.
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Die Besonderheit: Das Forschungsteam möchte Hausärzte auswählen, die die arabische Sprache sprechen, da das Barrieren abbaue. 150 geben es davon laut Recherche von Schneider. „Wir hoffen, dass wir Hausärzte finden, die für das Thema brennen und uns unterstützen“, meint die Psychologin und zeigt sich optimistisch.
Probanden erhalten Kurzbehandlung beim Hausarzt und arbeiten mit Online-Programm
Sind Probanden für die Studie gefunden, erhalten sie beim Hausarzt eine Kurzbehandlung, die ihnen hilft, mit Symptomen der Angststörung und Depression umzugehen. Dann soll ein Programm mit dem Namen „Triple P“ ins Spiel kommen, das einen wertschätzenden Erziehungsstil fördern soll, mit dem Eltern eine unterstützende Beziehung zu ihren Kindern aufbauen können. Das Programm umfasst Videoclips, Aufgaben und Aktivitäten, die helfen, wünschenswerte Verhaltensweisen und die Entwicklung der Kinder zu fördern. Schneider: „Eltern wissen nicht immer, wie sie Kinder fördern sollen.“
Die Studie zur Flüchtlingsgesundheit
Die Studie ist im Juni 2019 gestartet und läuft fünf Jahre. Das Gesamtfördervolumen beträgt 2,9 Millionen Euro.
Das Projekt wird am Bochumer Forschungs- und Behandlungszentrum für psychische Gesundheit koordiniert. Beteiligt sind außerdem die Abteilungen für Allgemeinmedizin der Ruhr-Universität Bochum, der Universität Duisburg-Essen und der Ludwig-Maximilians-Universität München sowie das Zentrum für Gesundheitsökonomie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf.
Das Forschungsteam hofft, durch Anwendung des Programms und Unterstützung der Hausärzte helfen zu können, bevor Kinder psychologische Hilfe brauchen. „Wir wollen der Gesellschaft einen niederschwelligen Ansatz zugänglich machen“, so Schneider. Dazu komme, dass es rund sechs Monate dauere, bis Therapieplätze frei würden. Die Hilfe vom Kinderarzt wäre hierbei deutlich schneller.
Wissenschaftlich begleitet wird die Studie vom „Improve-MH-Team“, einem von sieben Forschungsverbünden zur Gesundheit von Flüchtlingen. Die Forscher wollen zudem Hindernisse für den Einsatz in der Praxis identifizieren.
Studiendauer: Fünf Jahre
In diesen Monaten beginnen Schneider und ihr Team damit, den Ablauf der fünfjährigen Studie zu erproben. Im Frühjahr 2020 soll dann feststehen, ob die Umsetzung klappt – denn es gibt auch Herausforderungen: „Dass Hausärzte und Psychologen in der Forschung zusammen arbeiten, ist nicht selbstverständlich“, meint Schneider. Hinzu kommt, dass neben den Forschern des Bochumer Zentrums der Ruhr-Uni einige weitere am Projekt beteiligt sind (s. Infobox).
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Schneider ist aber zuversichtlich: „2024 würde ich gerne sagen, dass wir die Eltern ansprechen konnten“, meint sie mit einem Blick in die Zukunft. Dann soll auch klar sein, ob die Anwendung des Programms durch Kinderärzte Kostenersparnisse bringt, weil es zum Beispiel gar nicht erst zu einer Therapie kommt. „Unser Ziel ist es, das Programm so weit zu entwickeln, dass es sich in der Hausarztversorgung verbreiten kann“, erklärt Silvia Schneider.