Bochum-Ehrenfeld. Die Kulturschaffenden der „infantilerie“ feiern einen erfolgreichen Auftakt im Ehrenfeld. Neuer Veranstaltungsort füllt Ladenlokal mit Leben.

Der pinkfarbene Kaktus, ihr „Krafttier“, blüht im Bochumer Ehrenfeld auf. Das Künstlerkollektiv „infantilerie“ eröffnete an der Gilsingstraße 2 im August die „Prärie“. Der offene Ort in einem Ladenlokal bietet Raum für Kreatives, Austausch, die Erprobung verschiedener Kunstformen und bildet in einem fortlaufenden Prozess Netzwerke über die Szene hinaus. Das freie Kollektiv befindet sich zudem in der „letzten Phase“ ihrer Vereinsgründung.

Niederschwellige Nutzung ermöglichen

Bald also kann man offiziell vom „infantilerie. Künstlerkollektiv e. V.“ sprechen. In der Nachbarschaft und der Bochumer Kulturszene haben sich die rund 20 Mitglieder hingegen schon einen Namen gemacht. Lesungen, Konzerte, Theateraufführungen, Ausstellungen, Proben: „Alles was unter Kultur fällt, ist bei uns möglich“, fasst „infantilerist“ Toby Stöttner bündig zusammen. Mitgründerin Awa Winkel führt aus: „Wir möchten einen Raum für Künstler bieten, möglichst niederschwellig. Dabei sollen verschiedene Disziplinen zusammengeführt werden, das Programm soll auch von außen kommen.“

Offen für die freie Szene und Nachbarschaft

Mit der „Prärie“ an der Gilsingstraße/Ecke Hattinger Straße wird auch ein Ladenlokal für kulturelle Veranstaltungen genutzt.
Mit der „Prärie“ an der Gilsingstraße/Ecke Hattinger Straße wird auch ein Ladenlokal für kulturelle Veranstaltungen genutzt. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Der „Open Space“ im Ehrenfeld ist interdisziplinär ausgelegt, die Nutzung demokratisch organisiert. Die Hälfte der 20 Mitglieder – der Großteil junge Leute in ihren 20ern – ist regelmäßig vor Ort aktiv. Die Prärie soll sich wandeln, spontan und eben „offen“ sein für die freie Kulturszene Bochums und der Umgebung. Unabhängig von Jahrgängen. Man sei ebenso offen für jedes Alter, jung im Kopf müssten Akteure schlicht sein sein.

Die bereits gestaltenden Köpfe sind alle selbst im kreativen Umfeld aktiv, wissen, was wichtig ist – und was fehlt. Awa Winkel ist als Veranstaltungstechnikerin beruflich viel am Theater beschäftigt, etwa am Schauspielhaus oder im Musikforum. Lichtkunst mache einen weiteren Teil ihres Schaffens aus, sie entwirft Designs und beschäftigt sich mit der Gestaltung und Erschließung von Räumen an sich. So auch in der Prärie, mit der ein Leerstand an der Hattinger Straße gefüllt werden konnte.

Schwellen abbauen

Den Empfang und Auftakt beschreibt Toby Stöttner (Regisseur, Regie-Assistenz und Schauspieler, aktiv am „Theater an der Ruhr“ in Mülheim) als „super gut. Die Eröffnungswoche war stark, das Publikum und die Altersstruktur gut gemischt“. Auch die neue Nachbarschaft zeigte sich interessiert, ergänzt Winkel. Diese möchte man 2020 noch stärker einbinden, plant dafür unter anderem monatliche Kinderlesungen. „Wir möchten Leute erreichen, die sonst nicht so viel mit Kunst in Berührung kommen und Schwellen abbauen.“

Akteure loben Zusammenarbeit

Sehr positiv bewertet das infantilerie-Kollektiv die bisherige Zusammenarbeit mit der Stadt und dem Kulturamt: „Uns wurde sehr viel ermöglicht und geholfen, etwa bei Anträgen und Gutachten. Bislang waren alle sehr kooperationsbereit.“ Sich mit allen gängigen Auflagen – u. a. Brand- und Schallschutz – zurecht zu finden, sei für ein junges Kollektiv nicht ganz so einfach.

Heute (19.) erobert die infantilerie den „Schumacher-Club“, Kurt-Schumacher-Platz 1. Dort findet zur Finanzierung des Schallschutzgutachtens ein Konzert von „Bummelzug:Acht“ statt (21 Uhr), danach gibt’s ein DJ-Set von „Elitetruppe Epic“. Auch die Ausstellung „Big Bang“ wird gezeigt. Einlass 19 Uhr, Eintritt auf Spendenbasis (Empfehlung 7 Euro).

Am Samstag (21.) liest Tanja Grix ab 16 Uhr in der Prärie (Gilsingstraße 2), die „infantilerie.allstars“ spielen ab 18 Uhr ein Akustik-Konzert. Wer Teil des Kollektivs werden möchte: info@infantilerie.com. Für 15 Euro im Jahr kann das Projekt unterstützt werden, für 15 Euro im Monat die Prärie mitgestaltet und als Raum genutzt werden.

Die freie Regie-Assistentin Anne Deutschinoff nennt mit der „Kleidertausch-Party“ ein weiteres gelungenes Projekt, um mit dem Kunstraum im Stadtteil anzukommen: „Die Ausstellung ,Big Bang’ wurde präsentiert, es lief Musik und die Leute kamen ins Gespräch. Das ist ein schönes Zusammenspiel von Kultur mitten im Leben des Quartiers.“ Max Frische hebt die „vielen Nutzungsmöglichkeiten auch für die Nachbarschaft“ hervor.

Verschiedene Projekte für 2020 geplant

Der Bochumer möchte im Herbst eine erste EP mit elektronischer Musik veröffentlichen: „Das Artwork wird noch entwickelt, alles abgemischt, gemeinsam mit Anne außerdem eine tänzerische Performance entworfen.“

Auch untereinander wird also kooperiert, Winkel und Deutschinoff erarbeiten derzeit ein Stück, das „keine klassische Inszenierung werden, sondern alle Wände brechen soll“. Stöttner plant weitere Lesungen mit „Leuten aus der Theaterszene“ – sowohl in klassischer Form als auch unter Einbindung schauspielerischer Aspekte.