Bochum. Viereinhalb Jahre Haft fordert die Staatsanwaltschaft für die Bochumerin, die illegal Lippen aufgespritzt hatte. Geldgier sei das Motiv gewesen.

„Ich bin von Null auf 100 hochgeflogen. Aber noch tiefer bin ich gefallen.“ Das sagte am Montag die 27-jährige Bochumerin, die wegen des massenhaften illegalen Aufspritzen von Lippen vor dem Landgericht Bochum steht. Viereinhalb Jahre Haft wegen gefährlicher Körperverletzung, Verstoßes gegen das Heilpraktikergesetz, Betruges und Steuerhinterziehung hat Oberstaatsanwalt Andreas Bachmann für sie gefordert. „Als Tatmotiv ist Geldgier anzunehmen“, sagte er.

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Jahrelang wurde die ehemalige Jura-Studentin bei Instagram, wo sie mit Fotos von erfolgreichen Lippen-Eingriffen kräftig Werbung für ihre Arbeit machte, gefeiert. Die Anzahl der Follower war sechsstellig. „Ein richtiger Star-Rummel wurde gemacht“, sagte ihr Verteidiger Oliver B. Gaertner am Montag. Die 2. Wirtschaftsstrafkammer hat einen Umsatz von 846.000 Euro errechnet. Versteuert wurde nichts.

Sieben Monate saß die Angeklagte in U-Haft

Anfang April 2019, drei Tage nach ihrer Hochzeit, kam aber der Absturz. Es ging ab in die U-Haft, sieben Monate lang. Erst nach Zahlung von 108.000 Euro vor einigen Wochen – ein Abschlag auf ihre gesamte Steuerschuld – durfte sie das Gefängnis zumindest vorläufig verlassen.

Ankläger Bachmann hält es für erweisen, dass sie 33 Kundinnen wegen unsachgemäßer Behandlung verletzt hat. Es sei zu Blutungen, Narbenbildungen, Kopfschmerzen und anderen Folgen gekommen. Medizinische Nachbehandlungen seien erforderlich gewesen. „Aus Gründen der Generalprävention“ müsse die Angeklagte bestraft werden, denn die Gesundheit der Menschen sei ein hohes Gut.

Rund 3000 Kundinnen in dreieinhalb Jahren

Rund 3000 Menschen hatte sie im Laufe von dreieinhalb Jahren Hyaluronsäure gespritzt. Ihre Familie soll ihr dabei geholfen haben. Wie das alles organisiert war und wo das viele Einkommen geblieben ist, verrät die Angeklagte nicht.

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Zweimal hatte das Ordnungsamt ihr im Jahr 2017 klargemacht, dass sie nicht praktizieren durfte. Es gab sogar eine Durchsuchung. Trotzdem spritzte sie in einer Bochumer Wohnung und in auswärtigen Hotels weiter. Die Akquise lief über Instagram. Sie habe damals die Augen verschlossen und geglaubt, dann sähen die Behörden sie nicht, sagte sie am Montag in ihrem „letzten Wort“ vor dem Urteil, das am Dienstag erwartet wird. „Ich habe die U-Haft gebraucht, um wieder klar denken zu können.“

Verteidigung will eine Bewährungsstrafe

Nach ihrer Freilassung im November hatte sie ein Praktikum in einer Kanzlei gemacht, sie will nun Rechtsanwaltsfachgehilfin werden.

Ihre Verteidiger wollen eine Bewährungsstrafe. Die Verletzungen seien nur gering gewesen. „Die Leute haben bekommen, was sie haben wollten.“ Deshalb liege auch kein Betrug vor.

Erst Mitte November war die Bochumer Cousine (29) der Angeklagten wegen genau gleichgelageter Taten zu vier Jahren Haft verurteilt worden.