Bochum-Sundern. Seit 53 Jahren kümmert sich Gerda Stratmann um die ev. Gemeinde Bochum-Sundern. Dafür wurde sie jetzt geehrt. Grund zur Freude hat sie aber kaum.
Gerade mal gut 100 Sitzplätze hat die evangelische Kirche „Zum Guten Hirten“ in Bochum-Sundern. Wer den kleinen sechseckigen Kirchenbau betritt, wird stets warmherzig empfangen. Die „gute Seele“ dafür ist Gerda Stratmann. Die heutige Seniorin kümmerte sich von Anfang an ehrenamtlich um die zwischen 1964 bis ‘66 erbaute Kirche und um „ihre“ Gäste. Seit 53 Jahren also.
Ehrung mit bitterem Beigeschmack
Heute ist Gerda Stratmanns großer Tag, jedenfalls auf Wunsch der evangelischen Kirchengemeinde Linden. Sie verleiht ihr das Kronenkreuz der Diakonie, um sich bei Stratmann für ihre langjährigen Dienste zu bedanken. Ein bitterer Beigeschmack ist dabei: Die Gemeinde wird die Kirche, für die sich Stratmann seit ihrer Jugend einsetzt, zum 31. Dezember schließen.
Bevor Pfarrerin Angelika Hövermann zum Ende des Gottesdienstes das Kronenkreuz verleiht, ist Gerda Stratmann in ihrem Element. Sie hat die Kirche – unterstützt von anderen Mitgliedern des kirchlichen Fördervereins – zum ersten Advent festlich geschmückt. Sie begrüßt die meisten der gut 50 Besucher persönlich mit Handschlag.
Kissen und Decken gegen die Kälte
Den Gottesdienst verfolgt Gerda Stratmann aufmerksam, stets bereit, einzuspringen. Die Ehrenamtliche verteilt zudem Kissen und Decken, damit die Gottesdienstbesucher nicht frieren. „Wir haben seit gestern Abend geheizt. Aber es hat nicht gereicht, den Kirchenraum warm zu bekommen“, erklärt Stratmann. Die Seniorin verweist damit auf das Kernproblem: Der Kirchenbau ist spätestens seit einem Wasser- und Ölschaden in 2017, der die Gemeinderäume im Untergeschoss unbenutzbar machte, dringend sanierungsbedürftig.
Pfarrerin: „Es geht darum, Danke zu sagen“
„In diesen Tagen rief mich Frau Stratmann an, um mir mitzuteilen, dass das Dach an einer neuen Stelle undicht ist“, sagt später Pfarrerin Hövermann in ihrer Dankesrede für die Kümmerin. An diesem Morgen wird Gerda, wie sie die meisten Besucher nennen, gefeiert. „Sie haben sich das Kronenkreuz verdient“, dankt ihr Besucherin Gesine Schumann. „Es geht darum, Danke zu sagen“, erklärt die Pfarrerin in ihrer Rede. Die Seelsorgerin erinnert zudem daran, was Stratmann alles für „ihre“ Kirche geleistet hat.
Auch interessant
Aufmuntern und Anpacken
„Gerda hat organisiert und stets dafür gesorgt, dass es im ,Guten Hirten’ läuft“, sagt sie. Aufmunternde Worte für Menschen in Not gehörten da ebenso dazu wie selbst anzupacken und Aufgaben an andere zu verteilen, so die Pastorin weiter. Für Hövermann war die Seniorin zudem stets verlässlich und bereicherte mit ihrem umfangreichen Wissen sämtliche Gespräche.
Silvester ist Schluss
Von 1964 bis ‘66 baute die evangelische Gemeinde Weitmar die Kirche „Zum Guten Hirten“. Der „Evangelisch-kirchliche Verein Sundern“ setzte sich mit Pfarrer Ludwig Schulz unermüdlich für das Haus vor und nach dem Bau ein. 1975 erfolgt die Umpfarrung des Gemeindebezirks „Sundern“ nach Linden.
2006 dann der Einschnitt: Die evangelische Gemeinde Linden finanziert nicht mehr den Kirchenerhalt. Ein Freundeskreis springt ein. Der Verein der Freunde und Förderer der Kirche „Zum Guten Hirten“ übernimmt 2008 diese Aufgabe. 2018: Das Presbyterium beschließt nach einer Reihe von Bauschäden, Kirche und Grundstück zu verkaufen. 31. Dezember 2019: Schließung des Gotteshauses.
Gerda Stratmann, die über ihre Eltern als Mitglieder des „Evangelisch-kirchlichen Vereins Sundern“ zur Kirche kam, war auch inhaltlich aktiv. Sie organisierte Spielenachmittage, Erzählcafés und Gemeindefeste. Sie betreute ältere Menschen durch Besuche. Zur feierlichen Übergabe des Kronenkreuzes muss die Ehrenamtliche erst aus der Bank gelockt werden. Die zwei Kronenkreuzträgerinnen Andrea Kampmann (Organistin und Kirchenchorleiterin der Gemeinde) und die langjährige Diakonieangestellte Christel Henke übernehmen das.
Im Mittelpunkt stehen will sie nicht
Mit versteinertem Gesicht nimmt die Geehrte ihre Auszeichnung entgegen. Denn eigentlich will sie nicht im Mittelpunkt stehen. Ihr Lachen kehrt erst zurück, als alles vorbei ist und sie die Besucher nach dem Gottesdienst bewirten kann – mit selbst gebackenem Apfelbrot und Christstollen. Bis Ende des Monats geht die Arbeit an der Weitmarer-Holz-Straße 34a weiter. Am Freitag, 6. Dezember, gibt es um 15 Uhr ein Erzählcafé. Am Samstag, 14. Dezember, folgt um 17 Uhr eine Abendandacht. An Heiligabend gibt es um 15 und um 16.30 Uhr Gottesdienste. Der letzte schließlich findet an Silvester um 16.30 Uhr statt.