An Rhein und Ruhr.. Pflegemangel in NRW ist so groß, dass Kliniken Stationen schließen müssen. Konkrete Zahlen zu Ausfällen gibt es nicht. Sie werden nicht erhoben.
Tausende ausgefallene Operationen, tägliche Patientenbeschwerden, ein zunehmend rauerer Ton: Der Arbeitskampf an den Uni-Kliniken in Essen und Düsseldorf dauert schon gut zwei Monate und zehrt an den Nerven aller Beteiligter.
Am Montag werden Uni-Vertreter und Gewerkschaften mit der Landesregierung über den Dauerstreik sprechen – natürlich auch über das Grundanliegen der Streikenden, das Ende des massiven Personalmangels. Dieses Problem trifft alle Krankenhäuser in NRW immer härter. Ende des Jahres wird die Station 12 A Ost am Uni-Klinikum Münster wieder eröffnet werden, wenn alles glatt läuft.
Die Station mit 28 Betten ist spezialisiert auf Patienten mit Leber- und Gallenblasenproblemen. Sie ist seit dem Spätsommer 2017 geschlossen, weil das Uni-Klinikum zu wenig Pflegepersonal hat. Auf zwei weiteren Stationen konnten einzelne Betten nicht belegt werden, das soll ab Herbst wieder möglich sein.
Im dritten Quartal vergangenen Jahres fehlten dem Klinikum rund 200 Pflegekräfte, berichtet Sprecherin Anja Wengenroth. Sie ist aber optimistisch: „Bis Ende des Jahres werden wir die fehlenden Pflegekräfte wieder aufgebaut haben.“
Münster ist kein Einzelfall. „Uns erreichen vermehrt Meldungen, dass Abteilungen oder Stationen wegen Personalmangels geschlossen werden müssen. Man hört das aus allen Ecken“, berichtet Lothar Kratz, Sprecher der Krankenhausgesellschaft NRW. Belastbare Zahlen gibt es allerdings nicht, weil keine Statistiken zu Stations- oder Abteilungsschließungen erhoben werden. Weder bei der Krankenhausgesellschaft, noch im Landesgesundheitsministerium.
Kein Krankenhaus geht offensiv mit Schließungen um
Kein Krankenhaus geht mit der Schließung von Abteilungen offensiv um. Kliniken stehen im Wettbewerb zueinander. „Sobald nach außen dringt, dass eine Klinik zu wenig Personal hat, besteht die Gefahr, dass Patienten in das Nachbarkrankenhaus gehen“, sagt Michael Isfort vom Deutschen Institut für angewandte Pflegeforschung (dip). Abteilungsschließungen können enorm teuer werden, wenn sie zugleich andere Stationen stilllegen. Ist die Intensivstation geschlossen, kann beispielsweise nicht operiert werden.Manchmal sind die Sichtweisen von Pflegenden und Klinikleitung unterschiedlich. Vor wenigen Wochen war eine Station für Pneumologie (Lungenheilkunde) in einer Sana-Klinik in Düsseldorf verwaist. „Weil wir kein Personal mehr haben, es gibt zu viele Krankheitsfälle“, berichtete ein Pflegender. „Die Pneumologie ist auf eine andere Station gegangen, damit das Personal Überstunden abbauen kann. Im Sommer kommen weniger Patienten“, teilte eine Sprecherin des Sana-Konzerns auf Anfrage mit.
Pflegeexperte: Es fehlen 3500 Pflegekräfte
Ein Sprecher des Helios-Konzerns, der in NRW 13 Krankenhäuser betreibt, teilt auf Anfrage mit, die Schließung von Abteilungen komme „eher selten“ vor. Obwohl Helios intern ausbilde, treffe der Personalmangel aber auch den Klinik-Konzern. „Gerade der Markt für spezialisiertes Pflegepersonal ist eng.“
Die Not der Häuser sei flächendeckend, temporäre Abteilungsschließungen seien „in enorm vielen Kliniken der Fall“, betont Pflegeexperte Isfort. Das habe sich in den vergangenen Jahren „enorm verschärft“. Isfort geht davon aus, dass den Krankenhäusern in NRW etwa 3500 Pflegekräfte fehlen.
Selbst da, wo die zeitweilige Abmeldung von Bettenkapazitäten zwingend gemeldet werden muss, werden keine Statistiken erhoben: Krankenhäuser sind verpflichtet, den Rettungsleitstellen zu melden, wenn sie – ob aus Personalmangel oder anderen Gründen – keine Intensivbetten zur Verfügung haben oder die Notfallaufnahme schließen müssen. Hinter vorgehaltener Hand hört man aus den Leitstellen, dass es häufiger vorkomme, dass Rettungswagen Häuser nicht anfahren können. „Ein Riesenproblem“, heißt es.
Statistik? „Das würde den Rahmen sprengen“
Diese Meldungen werden über die Bezirksregierungen an das Landesgesundheitsministerium weitergeleitet, wo sie zwar gesammelt, aber nicht ausgewertet werden. „Das würde den Rahmen sprengen“, so eine Sprecherin auf Anfrage unserer Redaktion. Ebenso liegen dem Ministerium keine statistischen Daten über Personalausfälle an den Kliniken vor.
Michael Isfort ist über den statistischen blinden Fleck verwundert. „Es wäre absolut wünschenswert, wenn dazu Zahlen erhoben würden“, schließlich handele es sich um einen wichtigen Bereich der Daseinsvorsorge. Er habe das Gefühl, die Intransparenz diene der Beschwichtigung.
Das Landesgesundheitsministerium will nun prüfen, „welche statistischen Erhebungen im Rahmen der Krankenhausaufsicht sinnvoll und angemessen sind“.