Bochum. Jetzt hat ein zweiter Prozess um illegal aufgespritzte Lippen in Bochum begonnen. Eine 29-jährige Bochumerin ist im Wesentlichen geständig.

Der Erfolg auf der Internetplattform Instagram muss elektrisierend und verführerisch gewesen sein.

Am Freitag begann vor dem Landgericht der Prozess gegen eine zweite Bochumerin (29), die ohne Erlaubnis als Heilpraktikerin tausenden Kunden Lippen, Nase oder Kinn aufgespritzt und einige dabei wegen unsachgemäßer Behandlung schwer verletzt haben soll. Wie bei der ersten Angeklagten (26), ihrer Cousine, war auch ihre Motivation nicht nur das Geldverdienen, sondern auch: Bewunderung auf ihrem Instagram-Account ernten. Dort wurden die vielen erfolgreichen Schönheitsbehandlungen gepostet und mit ihnen geworben.

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„Das war so ein Hype“, sagt ihr Verteidiger Volker Schröder. Instagram sei benutzt und missbraucht worden, „größer und bekannter zu werden als man ist“. Ein regelrechter Wettbewerb auf Instagram habe stattgefunden. Erstmals legte die Angeklagte, die selbst sehr volle Lippen hat, am Freitag im Wesentlichen ein Geständnis ab. Es tue ihr leid, was passiert sei, sagte ihr Anwalt. Ihr Ziel sei es gewesen, „eine gute Arbeit zu leisten“.

Anklagevorwurf: Gebrauchte Spritze eingesetzt

Illegal aufgespritzte Lippen – so haben wir berichtet

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Von Anfang 2017 bis zu ihrer Verhaftung im April 2019 sollen mindestens 33 Eingriffe missglückt sein. Die Kundinnen erlitten laut Anklage nach dem Einspritzen von Hyaluronsäure Schmerzen, Schwellungen, Schwindel, Blutungen, Blutergüsse, Knötchenbildung, blaue Verfärbungen oder Ähnliches. Einmal soll sogar eine gebrauchte Spitze eingesetzt worden sein, „so dass eine Sterilität nicht mehr gegeben war“, sagte Oberstaatsanwalt Andreas Bachmann. Einmal sei auch die Speicheldrüse verletzt worden, so dass die Kundin mehrfach habe operiert werden müssen. Wieder eine andere Kundin sei nach der Behandlung zwei Wochen krank geschrieben.

Anklage: 780.000 Euro verdient und nicht versteuert

Angeklagt ist auch gewerbs- und bandenmäßiger Betrug

Angeklagt ist außer gefährlicher Körperverletzung auch ein Verstoß gegen das Heilpraktikergesetz, Steuerhinterziehung sowie gewerbs- und bandenmäßiger Betrug.

Ermittelt wird auch gegen Mitglieder der Familie der Angeklagten.

Behandlungsorte sollen auch Hotels in Frankfurt a.M., Hamburg und Bremen gewesen sein.

Immer wieder taucht in der Anklage als Behandlungsort eine Wohnung in Bochum-Laer auf. Dorthin sollen die Kundinnen gelotst worden sein. Mitglieder der Familie der Angeklagten hätten in bar kassiert, meist rund 300 Euro, aber auch mal 1040 Euro. Nichts sei in einer Buchhaltung festgehalten und versteuert worden. Insgesamt hat Bachmann ein Einkommen von rund 780.000 Euro errechnet. Darin sind auch Erlöse von Schulungen enthalten, die die Angeklagte angeboten habe.

Vor der 10. Strafkammer wirkt sie sehr zerknirscht, nervös und ängstlich. Einige Male schaut sie grüßend ins Publikum, wo offenbar Verwandte und Freunde sitzen. Sie ist verheiratet und erwartet im November ein Baby. In diesem Monat ist auch die Urteilsverkündung geplant, nach weiteren elf Sitzungstagen.