Bochum. Vor zwei Jahren musste der „Kult-Kiosk“ in Altenbochum trotz heftiger Gegenwehr umziehen. Nun entsteht hier eine Wohnanlage mit 39 Wohnungen.

„Altenbochum ohne Kult-Kiosk? Unmöglich!“ Thomas Jochheim nippt an seinem Kaffee, zieht an der Kippe und schaut versonnen auf das Ladenlokal, vor dem – „wie früher“ – ein Holztisch für die Raucher aufgebaut ist. Wie die meisten Stammgäste wohnt er in der Nachbarschaft. Der „Kult-Kiosk“ am Freigrafendamm ist für sie eine Institution. Die lebt fort, wenige hundert Meter entfernt vom alten Standort, an dem ein neuer, zwölf Millionen Euro teurer Wohnkomplex in die Höhe ragt.

Über 60 Jahre diente die Trinkhalle am Freigrafendamm 33 nicht nur als Nahversorger, sondern als Treff für Generationen von Altenbochumern. Fluppe und Fiege, Käffchen und Klümpkes, die WAZ und weitere, manchmal ureigene Wahr- und Weisheiten: Der Kiosk unweit des Hauptfriedhofs war ein starkes Stück Stadtteil, ein starkes Stück Revierkultur.

Die alte Fassade des „Kult-Kiosks“ ist auf dem Trainingsgelände des VfL Bochum wieder aufgebaut worden.
Die alte Fassade des „Kult-Kiosks“ ist auf dem Trainingsgelände des VfL Bochum wieder aufgebaut worden. © FUNKE Foto Services | Olaf Ziegler

Alte Bude musste Neubauprojekt weichen

Umso vehementer war der Kampf um den Erhalt, als 2016 bekannt wurde, dass die Bude einem Neubauprojekt weichen soll. 1900 Unterschriften wurden gesammelt. SPD und CDU leisteten Bei- und Widerstand. Doch letztlich war klar: Der „Kult-Kiosk“ war an dieser Stelle nicht mehr zu retten. Die Original-Fassade schmückt heute das Trainingsgelände des VfL Bochum.

Tränen flossen zum Abschied vor zwei Jahren, jede Menge Bier zum Neubeginn: Die VBW hatte den Pächtern Regina und Dirk Boretzki ein Ladenlokal an der Einmündung Stockyweg angeboten, mit 110 Quadratmetern dreimal so groß wie der Vorgänger, mehr Cafè als Kiosk.

Neue Pächter sind zufrieden

Die Boretzkis verließen den „Kult-Kiosk“ im vergangenen Frühjahr. Anna Stiebing (26) und Marcel Herrmann (29) traten die Nachfolge an. Beide leben in der Nähe, beide waren viele Jahre Kunden. „Wir hatten schon länger vor, uns selbstständig zu machen. Als neue Pächter gesucht wurden, sagten wir uns: Wir machen’s!“ Mit dem ersten halben Jahr zeigen sie sich zufrieden: „Es läuft gut. Die Kunden halten uns die Treue.“

Anna Stiebing und Marcel Herrmann führen den „Kult-Kiosk“ am neuen Standort seit dem Frühjahr fort.
Anna Stiebing und Marcel Herrmann führen den „Kult-Kiosk“ am neuen Standort seit dem Frühjahr fort. © FUNKE Foto Services | Olaf Ziegler

Derweil erinnert am alten Kiosk-Standort nichts mehr an die Revier-Tradition. Seit Herbst 2018 errichtet das Bochumer Unternehmen Markus-Bau auf dem knapp 3000 Quadratmeter großen Grundstück an der Ecke Liebfrauenstraße eine Wohnanlage mit vier Häusern, 39 barrierearmen Wohnungen und einer Tiefgarage.

Familie Niggemann hat die komplette Wohnanlage gekauft

Inhaber ist Familie Niggemann. Nach dem Verkauf des Lebensmittelgroßhandels in Hofstede 2018 habe sich „die Familie neu orientieren müssen“, sagt Herwig Niggemann. Schnell sei die Entscheidung für das Wohnprojekt in Altenbochum gefallen: „ein Stadtteil mit großem Potenzial und engem bürgerschaftlichen Zusammenhalt, wie nicht zuletzt der WAZ-Stadtteil-Check gezeigt hat“, so Niggemann.

Wohnanlage heißt „Püttmann Hof“

Markus-Bau hatte das Wohnprojekt am Freigrafendamm ursprünglich „Liebfrauenhöfe“ genannt. Nun heißt die Anlage „Püttmann Hof“. Familie Niggemann nimmt dabei Bezug auf einen der ältesten Bauernhöfe in Altenbochum, der 1547 erstmals genannt wurde und einst an der Stelle des heutigen Neubaus stand.

Die Vermietung der 39 Wohnungen läuft jetzt an. „Das Interesse ist riesig“, berichten Herwig Niggemann und Karsten Koch (Markus-Bau).

Infos: puettmann-hof.de

Hatte Markus-Bau ursprünglich 39 Eigentumswohnungen geplant, werden die 70- bis 125-Quadratmeter-Bleiben nun von Familie Niggemann als Besitzer komplett vermietet. Im Juli 2020 soll es soweit sein. Vorgesehen sind Mieten ab 10,50 Euro/Quadratmeter: „für Bochumer Verhältnisse im oberen Bereich, aber immer noch deutlich niedriger als in vielen Gegenden in der Nachbarschaft“, betont Niggemann, der sich einen ausgewogenen Mehr-Generationen-Mix wünscht, den Gemeinschaftssinn mit einer Boule-Anlage im Innenhof befeuern will und mit einem besonderen, umweltfreundlichen Service aufwartet: Die Mieter können vier Elektroautos und zehn E-Bikes mieten.

Markus-Bau-Chef lobt innovatives Konzept

„Mit diesem Konzept sind Sie Vorreiter“, lobt Markus-Bau-Geschäftsführer Karsten Koch. Es muss es wissen: Sein Unternehmen hat bislang 9000 Wohneinheiten in über 50 Städten gebaut – davon 1500 in Bochum.