Bochum. Regisseure wie Zadek, Peymann, Steckel prägten das Schauspielhaus. Aber noch jemand anderer hat Bochumer Theatergeschichte geschrieben.

Starke Bühnenbilder gehören zum Theater wie gute Schauspieler und die Gedankenblitze engagierter Regisseure. Nur im Zusammenspiel dieses Dreiklangs entstehen Aufführungen, die im Gedächtnis bleiben. Große Bühnenkünstler und Spielleiter kannte das Schauspielhaus in 100 Jahren einige, aber auch einer der größten im Genre der Szenografie kam aus Bochum: Max Fritzsche. Am Montag, 21. Oktober, jährt sich sein Todestag zum 20. Mal.

Tausendsassa der Bühne

Max Fritzsche (1906-1999) hat einen erklecklichen Teil Theatergeschichte mitgeschrieben. Schließlich war er, der 1954 nach Bochum kam und 1977 seine letzte Arbeit abschloss, fast ein Vierteljahrhundert nicht allein als Bühnenbildner tätig, sondern auch als Regisseur und zeitweilig sogar als Stellvertreter des Intendanten (Hans Schalla 1949-1969).

Ein Tausendsassa der Bühne, der die Welt des Spiels und Scheins indes niemals mit der Wirklichkeit verwechselte. Und der es doch schaffte, diese Wirklichkeit durch immer neue, kunstvolle Griffe auch auf der Bühne Wirkung zu verschaffen.

Zur Person

19. Juli 1906: geboren in Karlsruhe, Studium an der Kunstakademie Düsseldorf, Bühnenbildklasse von Prof. Walter von Wecus.

Engagements in Münster, Stettin, Darmstadt, Stuttgart, Kiel. 1954 Wechsel nach Bochum.

Max Fritzsches letzte Produktion: „Freibrief“ von Gaston Salvatore, Bochum 1977.

Die Intendanz Schalla, war, zumal um die Wende der 1950/1960er Jahre, maßgeblich für die Entwicklung der Schauspielkunst nach dem Krieg. Der heute so genannte „Bochumer Stil“ wurde zu einer künstlerischen Ausdrucksform, die vor der Theaterhistorie Bestand hat. Schalla als Regisseur war es an zeitgemäßen, modernen Interpretationen von Klassikern ebenso gelegen wie an der Durchsetzung von Autoren, die von den Nazis verfemt worden waren. Brecht, Sartre, Ionesco oder Anouilh sind vier Namen, die damals mit ihren Stücken durch Aufführungen in Bochum bekannt wurden.

Kunstvoll arrangiert

Fritzsche übertrug den entschlackten, kunstvoll arrangierten Schalla-Stil in Bühnenbilder, die als abstrahierende, sparsame und vielfach nur grafisch gestaltete Räume der Fantasie ebenso Beinfreiheit verschafften wie den Darstellern. Wenn man sich die einnehmenden kolorierten Fritzsche-Entwürfe jener Zeit im Original ansieht, wird man sogleich feststellen, dass sie über das Handwerkliche hinaus einen künstlerischen Eigenwert haben.

Auf die Zeit bezogen

Die Bühnen, die er schuf, waren dabei stets auf die Zeit ihrer Entstehung bezogen, auch wenn es um die Einfassung von Klassikern wie „König Lear“ oder „Don Carlos“ ging.

Hans Schalla (li.) und Max Fritzsche im Arbeitsgespräch.
Hans Schalla (li.) und Max Fritzsche im Arbeitsgespräch. © FUNKE Foto Services | Repro: Klaus Pollkläsener

Auch scheinen Fritzsches Räume bereits von dem zu „sprechen“, um das es in den Stücken geht. Sie sind Brücken, die aus der scharfen Gegenwart in die geistige Welt der Dramatiker führen. Man bedauert beim Durchsehen von Fritzsches Entwürfen sogleich, diese Inszenierungen und diese Bühnenräume nicht erlebt zu haben.

Bis nach New York

Allerdings halten Fotos die Erinnerung wach an Aufführungen wie Hebbels „Herodes und Marianne“, Wedekinds „Der Marquis von Keith“ oder Sartres „Der Teufel und der liebe Gott“, mit dem Schalla/Fritzsche beim III. Festival de Paris 1956 begeisterten. Die Aufführung des Existenzialisten-Dramas ging um die Welt und wurde auch in New York gezeigt.

Über 150 Arbeiten

Insgesamt hat Max Fritzsche in 25 Jahren die Bühnenräume von mehr als 150 Bochumer Inszenierungen gestaltet – ein singulärer Rekord, der dem verdienten Bühnenmann eine Erwähnung in der jüngst absolvierten Jubiläumsaufführung „O, Augenblick“ zum 100. Geburtstag des Schauspielhauses verschaffte. Alles andere wäre angesichts der Prägung, die er dem Bochumer Theater aufdrückte, wohl auch unverständlich gewesen.