Bochum. Norbert Lammert ist mit dem Hans-Ehrenberg-Preis ausgezeichnet worden. Gewürdigt wird damit das demokratische Engagement des CDU-Politikers.
„Stellen wir uns vor, dass wir unseren religiösen Schmuck unter dem Pullover verstecken, wenn wir in den Zug steigen. Stellen wir uns vor, dass wir unsere Gottesdienste nur unter dem Schutz der Polizei feiern können. Stellen wir uns vor...“ Zu Beginn der Preisverleihung des protestantischen Hans-Ehrenberg-Preises in der Christuskirche sprachen neun Mitglieder der evangelischen Kirche zu all den Gästen, die die Kirchenbänke am Sonntagabend beinah voll besetzen.
Sie forderten diese auf, sich vorzustellen, was es bedeutet, den Hass auf sich zu ziehen – aus religiösen, ethnischen, politischen oder sexuellen Gründen. Und sie fragten: Wie positionieren wir uns in Zeiten politischen und gesellschaftlichen Aufruhrs?
Preis wird alle zwei Jahre verliehen
Alle zwei Jahre erhalten Persönlichkeiten, die demokratisch-protestantische Antworten auf diese Frage finden und jene in öffentlicher Auseinandersetzung vergegenwärtigen, den Hans-Ehrenberg-Preis. Der Preis wird seit dem Jahr 2000 von der Bochumer und der Westfälischen Evangelischen Kirche verliehen.
Dieses Jahr nahm mit Norbert Lammert (CDU) ein „echter Bochumer Junge“, so die Worte der Bürgermeisterin Erika Stahl (CDU), den Preis entgegen. Lammert, der von 2005 bis 2017 das Amt des Bundestagspräsidenten bekleidete, ist überdies Professor für Politikwissenschaft an der Ruhr-Uni, Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung und laut dem diesjährigen Laudator Nikolaus Schneider ein „protestantischer Katholik“.
Pfarrer Ehrenberg ist Verfasser des „Bochumer Bekenntnisses“
Der Bochumer Pfarrer Hans Ehrenberg (1883 – 1958), nach dem der Preis benannt ist, predigte in der Bochumer Paulus- und Christuskirche. Er war als jüdisch-christlicher Theologe und Professor der Philosophie eine Person, die das christliche Leben untrennbar mit einer demokratischen Lebensweise verknüpft sah.
Im Schatten des aufkommenden Nationalsozialismus veröffentlichte er 1933 das „Bochumer Bekenntnis“, in dem er sich entschieden gegen völkische Ideologie und theologischen Antisemitismus aussprach und das theologische Existenzrecht Israels bezeugte. Aufgrund seines unverbrüchlichen Engagements gegen den Antisemitismus wurde er monatelang im Konzentrationslager Sachsenhausen gefoltert.
Auch Anschlag auf Synagoge in Halle ist Thema
Der, vor einer Woche begangene, antisemitische Anschlag in Halle lässt sich im Kontext der Biografie Ehrenbergs nicht ausklammern und so verwiesen sowohl Bürgermeisterin Stahl als auch die Kirchenvertreter Superintendent Gerald Hagmann und Ulf Schlüter in ihren Grußworten auf dieses Verbrechen und die Demokratie, die diesem entgegenstehen müsse. Demokratie in Frage zu stellen, werde in der heutigen Zeit wieder salonfähig, so Erika Stahl.
Ehrenbergs 102-jähriger Neffe überreicht den Preis
Nachdem Heinz Ehrenberg, der 102- jährige Neffe von Hans Ehrenberg, Norbert Lammert (70) den mit 5000 Euro dotierten Preis überreicht hatte, berichtete Lammert, wie zögerlich er auf seine Nominierung reagiert hatte. Denn anders als Ehrenberg seien er und die anderen Preisträger mit Privilegien aufgewachsen, die Ehrenberg nicht zuteil waren.
Gerade mit diesem Bewusstsein sei es wichtig, für Demokratie einzustehen. Demokratie zu leben, bedeute „einen unvermeidlichen Streit in zivilisierter Weise auszutragen“ und seine eigene Meinung nicht für die einzig richtige zu halten.
Ein zentrales Mittel zur Verteidigung demokratischer Werte, so hieß es immer wieder während des Festaktes, sei Bildung. Und so spendet Lammert das Preisgeld für Schulprojekte, in denen zu gescheiterten Demokratien und deren Folgen gearbeitet wird.
Im Anschluss an die Reden diskutierte Lammert gemeinsam mit Laudator Nikolaus Schneider, dem ehemaligen Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, über Themen, die Schüler der Hans-Ehrenberg-Schule aus Bielefeld vorgeschlagen hatten.