Bochum. Bis ins Detail geht ein „Schlachtplan“ mit dem die Bochumer SPD und die Grünen ihren gemeinsamen OB-Kandidaten Eiskirch zum Erfolg führen wollen.

Wenige Tage nach den offiziellen Verlautbarungen der Bochumer Grünen und der SPD zur Absicht, Thomas Eiskirch als gemeinsamen Oberbürgermeister-Kandidaten zu präsentieren, sickern nun immer mehr Details der Vereinbarungen zwischen den beiden Parteien durch. Dabei haben die Grünen nach WAZ-Informationen exakt 15 Schwerpunktthemen definiert. Doch mehr als diese Themen dürfte die SPD wurmen, dass Thomas Eiskirch im Falle seiner Wahl künftig noch weitaus deutlicher als bisher als rot-grüner Oberbürgermeister auftreten soll.

Das ist die Kröte, die die Bochumer Sozialdemokratie wohl schlucken muss. In zwei intensiven und geheimen Verhandlungsrunden bereits am 12. und am 14. August hat sich die Steuerungsgruppe der Grünen zu Kommunalwahl mit der Parteispitze der SPD zusammengesetzt, um final über die OB-Frage zu beraten. Fest steht nun: Den Verzicht der Grünen auf einen eigenen Kandidaten oder eine Kandidatin, erkauft sich die SPD mit weitgehenden Zugeständnissen.

Direktwahl zum Oberbürgermeister

Nach aktuellem Stand wird es bei der Wahl zum Oberbürgermeister im Herbst nächsten Jahres keine Stichwahl mehr geben. CDU und FDP hatten dieses Verfahren im April mit ihrer Mehrheit gegen SPD und Grüne abgeschafft.

Damit wäre der- oder diejenige gewählt, die bei der Wahl (bei dann nur einem Wahlgang) die meisten Stimmen auf sich vereinigen kann.

Bochums SPD-Chef Karsten Rudolph reagiert deutlich verschnupft auf die Bitte, Stellung zu nehmen zu den Absprachen zwischen den beiden Parteien. Es sei Vertraulichkeit vereinbart worden, teilt er auf Anfrage dieser Zeitung nur knapp mit.

Welche Themen gesetzt worden sind

Dies nimmt nicht Wunder, denn die Details der Absprachen legen offen, dass die Bochumer Sozialdemokratie sich in wichtigen Punkten auf die Grünen zubewegen muss.

- Beispiel Umweltspuren und Radwege: Konkret werden die Tests von Busspuren und geschützten Radwegen – etwa mit niedrigen Bodenbarrieren – begrüßt. Bisher war die SPD in diesen Punkten sehr verhalten. Zunächst lehnen SPD-Politiker dies gar ab. Doch diese Position weichte mehr und mehr auf.

- Beispiel Stadtentwicklung: Der große Wurf eines neues Innenstadt-Quartiers mit Bebauung fällt wohl durchweg schmaler aus. Die Emissäre einigten sich darauf, dass der Appolonia-Pfaus-Park offenbar vergrößert werden soll. Auch der fest geplante Abriss des Musikschulgebäudes wackelt. Bei einem vorgesehenen städtebaulichen Wettbewerb soll ein Plan bevorzugt werden, der das Gebäude erhält. Beim geplanten Abriss des Gesundheitsamtes soll es wohl bleiben, wegen der starken Baumängel.

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- Beispiel Soziales: Menschen ohne Krankenversicherung und Menschen, die es schwer haben Wohnungen zu finden, sollen bessere Chancen zur Teilhabe bekommen. Hier liegen die Positionen der beiden Parteien jedoch ohnehin recht nah beisammen.

Weiter Absprachen beziehen sich auf die Bildung, wobei es um die Einrichtung einer weiteren Gesamtschule in Wattenscheid und möglicherweise einer zusätzlichen in der Innenstadt geht. Der Vorschlag einer zweiten Gesamtschule für Wattenscheid geht auf eine Initiative der Wattenscheider Grünen vom März 2018 zurück. Sie hatten zuerst sogar konkret den Standort der jetzigen Lieselotte-Rauner-Schule an der Voedestraße ins Gespräch gebracht.

Darüber hinaus wird der mögliche Bau einer Biogasanlage in Bochum vorangetrieben. Eine Machbarkeitsstudie soll bis Oktober 2020 fertig sein. Ob diese Studie noch vor der Wahl veröffentlicht werden soll, lassen die Unterhändler offen.

WAZ Podiumsdiskussion vor ziemlich genau vier Jahren am 3. September 2015 mit den OB-Kandidaten Horst Hohmeier (Linke), Wolfgang Wendland (parteilos), Jens Lücking (Freie Bürger), Thomas Eiskirch (SPD), Monika Engel (Die Grünen), Klaus Franz (CDU), Günter Gleising (Soziale Liste), Franz-Josef Ermann (parteilos), Wolf-Dieter Liese (AfD) und Omid Pouryousefi (parteilos) im Atrium der Bochumer Stadtwerke. In der Mitte WAZ-Redaktionsleiter Thomas Schmitt, der die Diskussion moderierte.
WAZ Podiumsdiskussion vor ziemlich genau vier Jahren am 3. September 2015 mit den OB-Kandidaten Horst Hohmeier (Linke), Wolfgang Wendland (parteilos), Jens Lücking (Freie Bürger), Thomas Eiskirch (SPD), Monika Engel (Die Grünen), Klaus Franz (CDU), Günter Gleising (Soziale Liste), Franz-Josef Ermann (parteilos), Wolf-Dieter Liese (AfD) und Omid Pouryousefi (parteilos) im Atrium der Bochumer Stadtwerke. In der Mitte WAZ-Redaktionsleiter Thomas Schmitt, der die Diskussion moderierte. © Ingo Otto / Funke Foto Services

Detailliert wird der Wahlkampf geplant

Von konkreten Zusagen der SPD, wobei es etwa um die Besetzung von Dezernentenstellen geht, ist nichts bekannt geworden. Da dürften Absprachen erst nach der Wahl erfolgen. Allerdings gibt es einen klaren Ablaufplan für den Wahlkampf. Obwohl es eine Koalitionsaussage nicht gibt, läuft es dabei auf eine enge Abstimmung und Zusammenarbeit hinaus. Ein fünfköpfiges Wahlkampfteam, paritätisch besetzt mit zwei Grünen, zwei Sozialdemokraten und einer parteilosen Leiterin koordiniert den Wahlkampf.

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Für Oberbürgermeister Thomas Eiskirch, der auf eine sozialdemokratische Sozialisierung zurückblickt, wird es insofern schwer, als dass er strikt als gemeinsamer rot-grüner Kandidat aufzutreten habe. Er habe nach der Wahl „loyal“ gegenüber beiden Fraktionen zu agieren. Für die SPD darf er weder auf der Ratsliste noch im Wahlkreis kandidieren. Sogar für mögliche Podiumsdiskussionen zeigt sich Rot-Grün vorbereitet.

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Das geht soweit, dass bestimmte Redezeiten des OB-Kandidaten durchgesetzt werden sollen. Beispiel: Bei einer bestimmten Runde mit einer Dauer von eineinhalb Stunden soll der Veranstalter angehalten werden, dass allein Thomas Eiskirch ein Drittel (halbe Stunde) der gesamten Redezeit vorbehalten bleibe.

Aber vielleicht hilft es der SPD ja, dass eine nennenswerte grüne Wahlkampfhilfe vereinbart wurde. Mit einer niedrigen fünfstelligen Summe stützen die Grünen das Projekt OB-Wahl 2020.