Langendreer. Teils seit Jahrzehnten leben die Bewohner zweier Mehrfamilienhäuser an der Unterstraße. Jetzt haben sie die Kündigung im Briefkasten.

Die Mieter in den Mehrfamilienhäusern Unterstraße 52 und 54 sind entsetzt und traurig. „Wir hatten am 29. Juli die Kündigung im Briefkasten“, sagt deren Sprecher Kurt Wurzel. „Die Häuser sind verkauft und sollen abgerissen werden für einen Aldi-Neubau.“ Die aktuelle, wohl zu kleine Aldi-Filiale liegt direkt nebenan.

Bei Leo Stierzowsky verursacht die schlechte Nachricht noch mehr körperliche Probleme, als er ohnehin schon hat. „Ich bin gesundheitlich zerstört“, sagt der Senior. Und Maria Tiemeyer, wie das Ehepaar Stierzowsky Mieterin der ersten Stunde, fragt: „Wo sollen wir denn hin? Wer vermietet denn noch an 80-Jährige?“

Aber auch Sara Camilla Heyne und ihr Mann Reymund, die erst seit gut zehn Jahren hier wohnen, sehen dieses Problem für sich. „Wir sind beide krank und würden gerne hier wohnen bleiben. Wir können nicht ins Dachgeschoss ziehen.“ Viele der Bewohner leben schon seit fast 50 Jahren hier. „Und wir haben jahrzehntelang sehr günstig gewohnt“, stellt Christel Stierzowsky fest. „Selbst wenn wir etwas Neues finden würden, wäre es schwer. In einem neuen Haus kennt uns ja keiner.“

Die Älteren wollen bleiben

Die Älteren, das ist klar, würden gerne noch die restliche Zeit hier verbringen. „Wir sind bodenständige und ruhige Mieter.“ In einem besonders guten Zustand befinden sich die Häuser äußerlich nicht, auch wenn die 72-Quadratmeter-Wohnungen von innen einen guten Eindruck machen. „Wir haben uns trotzdem sehr wohl gefühlt, obwohl der Vermieter nichts mehr macht.“

Die Aldi-Filiale an der Unterstraße soll erweitert werden – und braucht dafür mehr Platz.
Die Aldi-Filiale an der Unterstraße soll erweitert werden – und braucht dafür mehr Platz. © Eberhard Franken

Sara Heyna: „Wir sammeln Brocken, die von der Balkon-Decke fallen.“ Man habe schon seit 30 Jahren auf die Renovierung der Balkone gewartet. Das hat Wurzel, der seinen Balkon sehr liebt, dann vor einigen Jahren selbst erledigt. „Und ich habe dem Vermieter angeboten“, sagt der ehemalige Polizeibeamte, „die anderen Balkone auch zu machen. Das wurde allerdings abgelehnt.“

Vermieter verteidigt die Kündigung

„Die Kündigung ist erforderlich”, schreibt der Vermieter Klaus Kolter, der selber in einem der Häuser wohnt, nun mit Datum vom 29. Juli, „weil wir durch eine Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundbesitzes gehindert würden.“

„Die Häuser sind verkauft“, so Kolter. „Der Kaufpreis fließt aber erst, wenn der Bauantrag genehmigt wird.“ Er spricht von einem Investitionsstau und davon, dass seine Tochter die eigentliche Eigentümerin sei. „Die wohnt in Bayern und hat uns geraten, zu verkaufen.“

Kolter ist bereits 78 Jahre alt: „Auch ich muss mir was Neues suchen.“ Vor kurzem gab es bereits eine Besprechung der Mieter mit einem Aldi-Vertreter. Als das Thema „Umzugsgeld“ als ein mögliches Entgegenkommen angesprochen wurde, hieß es, das sei nicht üblich. „Dann allerdings erleben sie einen heißen Sommer“, lässt Kurt Wurzel durchblicken.

Aldi plant neuen modernen Markt

Auf Anfrage bestätigt Aldi-Nord, dass man plane, auf dem Grundstück an der Unterstraße einen neuen, modernen Aldi-Markt mit einer Verkaufsfläche von rund 800 Quadratmetern zu errichten. Der Neubau sei Teil der Modernisierung des gesamten Aldi-Nord-Filialnetzes nach dem aktuellen Filialkonzept „ANIKo“ (Aldi-Nord-Instore-Konzept).

„Der Fokus unserer neuen Märkte“, schreibt Aldi-Sprecher Joachim Wehner, „liegt vor allem auf einer hellen und freundlichen Einkaufsatmosphäre mit mehr Platz und breiteren Gängen sowie einem vergrößerten Angebot an frischem Obst, Gemüse, Fleisch, Fisch und Backwaren. Die neuen Filialen sind zudem mit einem modernen Licht-, Farb- und Energiekonzept ausgestattet.“ Der Grundstückskauf sei erforderlich, um das neue Konzept umsetzen zu können. Eine Baugenehmigung liege noch nicht vor.

Rechtsanwalt und Ratsmitglied Jörg Czwikla (SPD) aus Langendreer nimmt an, dass es lange dauern könne, bis die Häuser geräumt sind. „Möglicherweise verzögern Räumungsklagen und – wegen des Alters der Mieter – Räumungsschutzanträge den Vorgang.“