Bochum. Bochum wird schöner - durch gelungene Bauvorhaben. Oft laufen aber Kosten aus dem Ruder. Planung und Controlling, so die Kritik, sind fehlerhaft.

Bochum gilt nicht als Stadt mit vielen architektonischen Glanzlichtern – auch und gerade beim Bau öffentlicher Gebäude hat lange mehr die pure Funktionalität als das Erscheinungsbild eine Rolle gespielt. Mit dem Neuen Gymnasium, dem Musikforum, der Haltestelle Gesundheitscampus und anderen Projekten hat sich das gewandelt. Indes hat der schöne Schein buchstäblich seinen Preis: und der liegt oftmals weit höher als geplant. „Die Stadt kann beim Thema Bauen einfach nicht mit Geld umgehen“, kritisiert Volker Steude von der Ratsfraktion FDP/Stadtgestalter.

Rathaus-Ostflügel wird deutlich teurer

Am neuen architektonischen Anspruch liegt dies nach Einschätzung des studierten Ökonomen nicht. Zumindest nicht in erster Linie. Vielmehr beklagt er Fehler bei der Planung, Vergabe und Abwicklung von Projekten. Jüngstes Beispiel dafür sei die Kostenexplosion bei der Sanierung des Rathaus-Ostflügels. Aus ursprünglich 5,7 Millionen Euro (2016) sind mittlerweile 14,56 Millionen Euro geworden – weil eine Glasfassade für den neuen Haupteingang dazu gekommen ist, weil die Baukosten in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen sind und weil es plötzlich aus dem Haus der Bauordnung hieß, es müsse ein neues Brandschutzkonzept her. Kosten: 2,3 Millionen Euro

Die Sanierung des Rathaus-Ostflügels will allein um 2,3 Millionen Euro teurer, weil ein neues Brandschutzkonzept erarbeitet und umgesetzt werden muss.
Die Sanierung des Rathaus-Ostflügels will allein um 2,3 Millionen Euro teurer, weil ein neues Brandschutzkonzept erarbeitet und umgesetzt werden muss. © Stadt Bochum | Lutz Leitmann

„Das hätte man vorher wissen können und müssen“, sagt Volker Steude mit dem Verweis darauf, dass die planende Behörde in einem Haus mit der genehmigenden Behörde sitzt. „Es gibt offenbar keine ausreichende Kommunikation untereinander“, so Steude. Aber auch die Planungsschritte seien fehlerhaft – zu lange bleibe zu vieles im Vagen, ehe belastbare Informationen auf den Tisch kämen.

Städtetag legt Finger in die Wunde

Tatsächlich scheint das ein Problem vieler Kommunen zu sein. In einem Positionspapier legt der Deutsche Städtetag den Finger in die Wunde. Als markante Fehlentwicklungen werden u. a. genannt: zu frühzeitige Bezifferung der Baukosten ohne belastbare Planungen oder Raumprogramme, ungenaue Ermittlung der Bauherrenwünsche, das Fehlen eines frühzeitigen Risikomanagements, fehlendes Controlling und eine zu starke Orientierung auf die niedrigsten Angebote.

Baukosten werden häufiger überschritten

Die Liste der Neubau- und Sanierungsprojekte, bei denen es zu erheblichen Kostensteigerungen gekommen ist, ist lang. Sie reicht vom Platz des europäischen Versprechens (3,4 Millionen statt 500.000 Euro) über das Musikforum (39 statt 32,9 Millionen Euro) bis hin zum geplanten Schulzentrum Gerthe (bis zu 150 statt 50 Millionen Euro).

In einer Übersicht der Verwaltung zum Bauprojektcontrolling am Ende des ersten Quartals 2019 werden drei Projekte genannt, bei denen die Kosten voraussichtlich um insgesamt 800.000 Euro geringer ausfallen als geplant. Dagegen werden 15 Projekte aufgelistet, bei denen die Kosten voraussichtlich um insgesamt 9,6 Millionen Euro höher ausfallen werden als kalkuliert; allein um 1,9 Millionen Euro geht es beim Umbau des Gerther Mühlenbach.

Bei Kostensteigerungen, so Volker Steude, werde in Bochum gerne auf den Bauboom verwiesen; überplanmäßige Ausgaben bekämen eine Zwangsläufigkeit, „da doch niemand eine Bauruine wolle“. Aber in diese Zwangslagen dürfe die Stadt erst gar nicht kommen. Seine Fraktion hat daher ein „Kompetenzcenter Projektmanagement“ gefordert, ein unabhängiges, möglicherweise städteübergreifend tätiges Gremium mit einem Fachmann an der Spitze, der über langjährige Erfahrung in der freien Wirtschaft verfügt. „An anderer Stelle haben wir mit der Kompetenz von außen sehr gute Erfahrungen gemacht“, sagt Steude und verweist auf die Wirtschaftsförderer Ralf Meyer und Rolf Heyer sowie auf den Wasserwelten-Chef Berthold Schmitt. Indes: Einen entsprechenden Antrag hat der Rat im Juni mit großer Mehrheit abgeschmettert.

Mehr Transparenz in den Prozessen

Auch Peter Reinirkens und seine SPD-Fraktion haben geschlossen dagegen gestimmt. „Das Problem ist bekannt“, sagt der Fraktions-Chef. „Aber die Lösung ist eine andere als die, die FDP und Stadtgestalter vorschlagen.“ Er setzt auf die Ergebnisse der bei Stadtdirektor Sebastian Kopietz angesiedelten Arbeitsgruppe, die sich mit der Optimierungs- und Digitalisierungsstrategie für die Verwaltung beschäftigt. Zwar räumt er ein, dass die Kritik in Sachen Rathaus-Ostflügel berechtigt ist und dass grundsätzlich „mehr Transparenz in die Abläufe muss“. Insgesamt aber sei die Verwaltung gut aufgestellt. Ebenso sieht es Roland Mitschke, stellvertretender CDU-Fraktionsvorsitzender: „Man muss sich die Frage stellen, ob die Rahmenbedingungen, in denen die Verwaltung arbeitet, die richtigen sind und ob die Prozesse richtig organisiert sind.“ Und: An einem einmal vergebenen Auftrag dürfe im Nachhinein nicht mehr getippt werden. Auch er sieht Verbesserungsbedarf – aber keine neuen Stellen.

Leitfaden der Bundesregierung

„Schade“, findet Volker Steude. „Aber wenn den anderen Parteien unser Vorschlag nicht gefällt, sollte trotzdem über Änderungen im Arbeitsablauf nachgedacht werden.“ So habe die Bundesregierung einen klugen, praktikablen Leitfaden zum Projektmanagement für die öffentliche Verwaltung herausgegeben. In seinen Gesprächen mit Verwaltung und Politik werde zwar immer wieder darauf hingewiesen, dass der Rat vor vier Jahren eine Vorlage zur Projektsteuerung beschlossen habe. „Nur hält sich in wesentlichen Punkten niemand daran.“

Immerhin, so Steude, werde bei dem jüngsten Großprojekt der Stadt, dem Haus des Wissens, schon frühzeitig genauer hingesehen. Die Kosten wurde auf 90 Millionen Euro gedeckelt. Das sei ein Anfang.