Bochum. In „Der Gott des Gemetzels“ von Yasmina Reza geraten zwei Elternpaare aneinander. Gut möglich, dass hier ein Renner auf dem Spielplan steht.
Schneller sind 85 Minuten im Theater lange nicht vergangen: Mit der geistreichen Boulevardkomödie „Der Gott des Gemetzels“ von Yasmina Reza um zwei zankende Ehepaare gelingt Regisseur Oliver Paolo Thomas am Prinz-Regent-Theater eine rauschhafte Revue der Eitelkeiten. Vier fabelhafte Schauspieler stürzen sich so beherzt wie kurzweilig in einen bitterbösen Wohnzimmer-Krieg, der im Laufe der turbulenten Aufführung so viel Witz und Dynamik entwickelt, dass am Ende jubelnde Zuschauer und eine völlig verwüstete Bühne zurückbleiben. Ein ganz großer Spaß und eine Hymne an die Schauspielkunst: Gut möglich, dass hier ein neuer Renner auf dem Spielplan steht.
In ihren viel geliebten Satiren legt die französischen Autorin Yasmina Reza gern die brüchigen Fassaden der scheinbar wohlgeordneten Mittelschicht offen. Nach ihrem Welterfolg mit „Kunst“ wurde auch „Der Gott des Gemetzels“ (2006) bekannt, der vor rund zehn Jahren schon einmal den Weg ins Schauspielhaus fand. In der Regie von Burghart Klaußner waren u.a. Felix Vörtler und Imogen Kogge als Streithähne auf der Bühne zu sehen.
Bald kippen die Höflichkeiten ins Feindselige
Erzählt wird von zwei gut situierten Elternpaaren, die sich treffen, um einen handfesten Konflikt ihrer beiden Söhne aus der Welt zu räumen. Denn der kleine Ferdinand hat seinem Kameraden Bruno auf dem Spielplatz zwei Schneidezähne ausgeschlagen. Die Eltern des Opfers empfangen die Eltern des „Schlägers“ in ihrer Wohnung zum klärenden Gespräch, und zunächst läuft alles nach Plan, der Burgfriede scheint gerettet. Doch bald kippen die Höflichkeiten ins Feindselige, dem gegenseitigen Verständnis folgt eine zunehmend gereizte Stimmung, sarkastische Anspielungen vergiften das Klima. Zwischen den vieren bilden sich immer neue Konflikte, aber auch immer neue Allianzen und Bündnisse. Und wenn das kuriose Quartett von Kaffee auf Whiskey umsteigt, explodiert der blanke Hass.
Regisseur vertraut auf die gut geölte Mechanik der Vorlage
Auf seinen blanken Kern reduziert, ist „Der Gott des Gemetzels“ eigentlich ein recht trauriges Stück – wenn es nicht so wahnsinnig lustig und so wunderbar elegant geschrieben wäre. Regisseur Thomas tut gut daran, den Text nur minimal zu ändern: So tauscht er die französischen Namen der Figuren gegen deutsche aus und verlegt den Schauplatz von Paris nach Berlin-Kreuzberg. Ansonsten vertraut er ganz auf die gut geölte Mechanik der Vorlage und lässt die vielen kleinen Szenen, die Streitereien und Nickeligkeiten mit viel Tempo ineinander fließen. Es wird gesoffen, geschrien und gefetzt, dass es eine helle Freude ist.
Dabei weiß er vier starke Schauspieler an seiner Seite, ohne deren kraftvolles Spiel eine solch derbe Sause heillos verloren wäre. Nicht so am Prinz-Regent-Theater: Sven Gey verwandelt sich formidabel vom Familienvati zum Schwein, Kinga Prytula spielt die Besoffene mit Magenweh ganz wunderbar. Dem giftigen, ständig telefonierenden Macho-Anwalt des Bernhard Glose gehören die schönsten Pointen. In der Rolle der zart besaiteten Kunstliebhaberin wirkt Philine Bührer zu Beginn etwas ausgebremst, doch in den entscheidenden Momenten ist sie da und holt blitzschnell zum Kinnhaken aus. Großer Jubel!
Wieder am Sonntag, 23. Juni, um 18 Uhr, und am Donnerstag, 27. Juni, um 19.30 Uhr. Karten: 0234 / 77 11 17.