bochum. Das Scheitern der Stahlehe Thyssenkrupp/Tata bringt Unruhe unter die Stahlarbeiter in Bochum. Rund 2600 Arbeitsplätze hängen direkt am Konzern.
Obwohl sich zu Beginn dieser Woche die Gerüchte verdichtet haben, zeigte sich die Bochumer IG Metall-Spitze am Freitagmittag äußerst überrascht, dass die Stahlfusion zwischen Thyssenkrupp und Tata Steel jetzt offenbar definitiv geplatzt ist.
Gerade für den Stahlstandort Bochum, mit seinen gut 2600 Beschäftigten allein bei Thyssenkrupp-Steel Europe, bedeutet das jetzt auch vom Essener Konzern offiziell verkündete Scheitern der Stahlehe eine große Unsicherheit.
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Engin Karakurt, seit Jahresanfang neuer Betriebsrats-Chef im Thyssenkrupp-Werk an der Essener Straße, zeigte sich von der Nachricht schockiert. In einer ersten Stellungnahme sagte er gegenüber der WAZ: „Wir hatten ja die ganze Zeit schon diese Unsicherheit. Jetzt weiß kein Mensch wie es bei uns weitergeht. Den Tarifvertrag können wir nun auf den Müll werfen.“ Dieser vor gut einem Jahr ausgehandelte Tarifvertrag „Zukunft Stahl“, dem an den Bochumer Standorten rund 95 Prozent der IG Metall-Mitglieder zugestimmt hatten, hätte betriebsbedingte Kündigungen bis 2026 ausgeschlossen.
„Wir müssen nun schauen, was von diesem Tarifvertrag zu retten ist“, so die 1. Bevollmächtigte der Bochumer IG Metall, Eva Kerkemeier, und ist damit nicht ganz so pessimistisch wie Karakurt. Denn der Tarifvertrag, so erinnert Kerkemeier, sei damals ausdrücklich vor dem Hintergrund der Stahlehe geschmiedet worden.
Zweitstärkster Thyssenkrupp-Stahl Standort
Hinter Duisburg ist Bochum der zweitstärkste Thyssenkrupp-Stahl-Standort in Deutschland. Vor allem das Werk an der Essener Straße mit seiner sehr gut ausgelasteten Stahl-Weiterverarbeitung, wie Kaltwalzwerk und Feuerverzinkung, dürfte von der aktuellen Entscheidung betroffen sein. Besonders in den Fokus rückt nun erneut die Bochumer Warmbandstraße mit ihren allein rund 600 Mitarbeitern.
Sie ist eine der großen Anlagen, die bis zum 30. September 2020 einer Wirtschaftlichkeitsprüfung unterzogen werden sollten. Denn dann hätte die Bochumer Anlage in direkter Konkurrenz zu Duisburg gestanden. Duisburg hat insbesondere aufgrund der dort selbst erzeugten Energie, aber auch der Lage am Rhein Vorteile gegenüber Bochum. Somit galt die Bochumer Warmbandstraße trotz ihrer erwiesenen Modernität ein von einer Schließung bedrohter Werksteil.
Thyssenkrupp ist in Bochum seit der Schließung des Opel-Werks der mit Abstand größte industrielle Arbeitgeber in der Stadt. Neben dem Werk an der Essener Straße ist die Herstellung von nicht kornorientiertem Elektroband an der Castroper Straße ein zweites Standbein. Thyssenkrupp-Steel Europe ist einer der globalen Marktführer dieser Produktpalette. Das beschichtete Stahlband wird etwa für den Bau von Generatoren oder Elektromotoren benötigt.
IG Metall rät: Erstmal Ruhe bewahren
Schon kurz nachdem Thyssenkrupp das Scheitern der Fusion offiziell verkündet hat, versammelten sich Stahlarbeiter in Duisburg-Hüttenheim, wo das stählerne Herz des Ruhrgebiets schlägt. Vor Tor Süd an der Essener Straße, dort wo die in Bochum geschmiedeten Gussstahlglocken an einst glorreiche Zeiten der Stahlindustrie erinnern, blieb es zunächst ruhig.
Eva Kerkemeier rät im Augenblick zu eben dieser Ruhe: „Die Gewerkschaftsspitzen werden sich an diesem Wochenende zusammensetzen.“ Eines sei aber klar, so appelliert sie fast schon beschwörend: „Es muss auch in Bochum eine Zukunft für Stahl geben.“
Am Montag treffen sich Betriebsräte mit OB Eiskirch
Das politische Bochum hat unterdessen ebenfalls reagiert. Einem vor Tagen vereinbartem Treffen zwischen Bochumer Thyssenkrupp-Betriebsräten und Oberbürgermeister Thomas Eiskirch (SPD) kommt nun eine ganz besondere Bedeutung zu. Wie die WAZ erfuhr, treffen sich die Betriebsräte mit dem Oberbürgermeister zu einem Informationsaustausch auch über die aktuelle Situation beim Stahl im Bochumer Rathaus.