Bochum. . Der 77-Jährige, der auf einem Friedhof von der Polizei tödlich verletzt worden ist, durfte dort jagen. Ob auch zu dieser Zeit, ist aber unklar.
Der 77-jährige Bochumer, der auf dem städtischen Friedhof in Gerthe von einer Polizeiwaffe tödlich getroffen worden ist, hatte einen Jagdschein und auch speziell für diesen Friedhof eine Erlaubnis zum Jagen gehabt. Das hat die Staatsanwaltschaft am Montag erklärt. „Er durfte jagen“, sagte Oberstaatsanwalt Christian Kuhnert der WAZ. Er fügte hinzu: „aber unter ganz strengen Voraussetzungen. Und ob diese Voraussetzungen zur fraglichen Zeit erfüllt waren, wird gerade geprüft.“ Das Jagen ist nur außerhalb der Nutzungszeit, ganz früh morgens oder spät abends, erlaubt.
Ein waffenkundiger Augenzeuge aus Bochum hatte am Gründonnerstag gegen 18 Uhr die Polizei angerufen: Er soll gesehen haben, dass der Rentner soeben beim Betreten des Friedhofs ein Gewehr durchgeladen und eine Frau bei sich habe. Die Polizei eilte mit mehreren Streifenwagen herbei. Ihren Angaben zufolge warnten die Beamten unbeteiligte Friedhofsbesucher vor der möglichen Gefahr, dann sprachen zwei Polizisten den Waffenträger an. Was dann genau geschah, teilte die Polizei am Montag „aus ermittlungstaktischen Gründen“ nicht mit.
Bisher hatte sie dazu nur erklärt, dass der Rentner die Polizei bedroht hätte, woraufhin diese dann „zum eigenen Schutz“ geschossen hätte. Insgesamt fielen zwei Schüsse aus zwei Polizeipistolen, mindestens einer traf die Schulter des Mannes, wie Oberstaatsanwalt Kuhnert sagt. Zwei Tage danach erlag der Jäger im Bergmannsheil seinen schweren Verletzungen. Er selbst gab auf dem Friedhof keinen Schuss ab. Jene Frau, stellte sich heraus, war seine Ehefrau.
Rentner soll bei Polizeischüssen nicht gekniet haben
Ein anonymer Hinweisgeber erklärte später, dass der Rentner habe jagen wollen und die Beamten keineswegs bedroht haben soll. Er sei den Aufforderungen der Beamten gefolgt, habe die Waffe weggelegt und sich sogar hingekniet. Diese Darstellung wird jetzt aber nicht durch die Ergebnisse der Obduktion bestätigt. Kuhnert: „Nach dem bisherigen Stand der Ermittlungen hat der Geschädigte zum Zeitpunkt der Schussabgabe nicht gekniet. Die Obduktion hat Gegenteiliges nicht ergeben.“
Vieles in diesem Fall ist noch ungeklärt. Etwa die Frage, warum der Rentner bei hellem Tageslicht und zu einer Zeit, zu der noch Menschen ihre verstorbenen Angehörigen besuchen, mit einem geladenen Gewehr unterwegs war. Die Stadt als Untere Jagdbehörde machte am Montag mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen keine Angaben, ob der 77-Jährige am Gründonnerstag auf dem Friedhof Kaninchen oder andere Tiere, die bei Überpopulation nennenswerte Schäden anrichten, schießen wollte und ob sie an dem Tag darüber auch informiert war.
Auf 19 Friedhöfen in Bochum wird gejagt
Allerdings teilte die Stadt mit, dass auf 19 Friedhöfen tatsächlich gejagt werde. Auch auf dem Friedhof in Gerthe darf gejagt werden.
Für zwei der eingesetzten Polizeibeamten sei das Erlebnis „traumatisch“ gewesen, sagt Polizeisprecher Peter Elke. Sie würden „betreut und behandelt“ und seien zurzeit nicht dienstfähig.
Polizisten setzten neues Notfallsystem ein
Unmittelbar nach den Polizeischüssen hatte eine Polizistin die stark blutende Schussverletzung an der Schulter des Jägers behandelt. Dabei setzte sie auch ein neues polizeiliches Notfallsystems ein, welches speziell für Schussverletzungen entwickelt wurde.
Eine Essener Mordkommission hat bereits etliche Zeugen vernommen, darunter auch Augenzeugen „des tragischen Geschehens“, so die Polizei.