Bochum. . Seit Wochen kann eine junge Frau im Rollstuhl das Haus nicht mehr verlassen. Sie lebt im 5. Stock, doch der defekte Aufzug wird nicht repariert.

Das Haus mit der Nummer 15 ist nicht das höchste am Gropiusweg – über das Treppenhaus nach oben zu gelangen, ist dennoch eine Herausforderung. Eine, die kaum zu bewältigen ist mit Einkaufstaschen oder einem kaputten Rücken. Für Yara Josif ist sie gar nicht zu bewältigen. Denn die 20-Jährige sitzt im Rollstuhl. Um in die Wohnung im 5. Stock, die sie gemeinsam mit ihrer Mutter und den zwei kleinen Brüdern bewohnt, zu gelangen, ist sie auf den Aufzug angewiesen. Doch der ist seit Jahresbeginn außer Betrieb. Ein Schild teilt mit: „Ihr Aufzug wird repariert und fährt voraussichtlich wieder am... um...“. Die Felder für Datum und Uhrzeit sind leer. Daneben hängt ein Schreiben der Gebäudeverwaltung „Zentral Boden Vermietung und Verwaltung GmbH“ (ZBVV), datiert auf den 7. Januar: der Montag, nachdem der Aufzug ausgefallen ist. Eine Firma sei bereits beauftragt, steht dort, die Arbeiten würden sich lediglich wegen eines fehlenden Ersatzteils verzögern.

Der letzte Ausflug liegt sechs Wochen zurück

Seit über sechs Wochen endet jeder Versuch, aus dem Haus zu gelangen, für die 20-jährige Yara Josif vor dem defekten Aufzug.
Seit über sechs Wochen endet jeder Versuch, aus dem Haus zu gelangen, für die 20-jährige Yara Josif vor dem defekten Aufzug.

Seitdem hat Hejat Josif, Yaras Mutter, zigmal bei der ZBVV nachgefragt. Der 42-Jährigen ist die Erschöpfung anzusehen. Sie macht sich Sorgen um ihre Tochter, die kaum noch essen will, die viel weint, weil sie sich eingesperrt fühlt und ihre Arbeit vermisst. Normalerweise verlässt Yara die Wohnung wochentags gegen sieben, um in die Behindertenwerkstatt zu fahren. „Sie ist am liebsten draußen, unterwegs, erlebt etwas“, sagt die Mutter. Regelmäßig kommt deshalb auch eine Betreuerin, die mit Yara vor die Tür geht. Doch der letzte Ausflug liegt über sechs Wochen zurück: Weder die Mutter noch die Betreuerin können die junge Frau samt Rollstuhl fünf Etagen hinunter-, geschweige denn wieder hinauftragen. Wenn Yaras Mutter nun das Haus verlassen will, um den Jüngsten in den Kindergarten zu bringen oder Einkäufe zu erledigen, muss sie sich beeilen. Yara kann nicht lange allein bleiben. Manchmal kommt die Nachbarin zum Aufpassen rüber.

Der Aufzug ist nicht zum ersten Mal defekt, doch bisher sei er immer zügig repariert worden, sagt Hejat Josif. Und diesmal? Die Antwort der ZBVV fällt zunächst sparsam aus: Man habe die Zusage des Herstellers, den Auftrag bis Mitte März zu erledigen. Auf Rückfrage heißt es jedoch, man versuche, mit einer „besonders betroffenen“ Mieterin eine „Sofortlösung (Transportunterstützung) umzusetzen“. Im übrigen sollten sich betroffene Mieter „bei allen Fragen immer an die Hausverwaltung wenden“.

Auch interessant

Familie würde gern umziehen

Aichard Hoffmann vom Mieterverein rät der Familie, dem Vermieter eine Frist zu setzen und eine Ersatzunterbringung, sprich: den zeitweisen Umzug in ein Hotel, anzukündigen. „Unser Jurist hält eine solche Forderung in diesem Fall für gerechtfertigt.“

Am liebsten würde Hejat Josif mit Yara und ihren Brüdern Raman (5) und Dilan (14) nicht ins Hotel, sondern gleich ganz umziehen. Doch sie findet einfach keine passende Wohnung. Dabei hat sie keine großen Ansprüche: Vier statt wie jetzt drei Zimmer wären schön, beim Stadtteil ist sie nicht wählerisch. Nur im Erdgeschoss sollte die Wohnung liegen, denn auf einen Aufzug möchte die Familie am liebsten nie wieder angewiesen sein.