Bochum. . Nika Kleemann hat in fünf Jahren 500 Mal das Musical Starlight Express besucht. Nun hat sich der größte Wunsch der Bochumerin (37) erfüllt.

Gerade sind die letzten Klänge des Klassikers „Licht am Ende des Tunnels“ verklungen, da richten sich alle Scheinwerfer und Blicke auf die unscheinbare Besucherin im Mittelrang. Nika Kleemann schaut erst irritiert, fast ängstlich drein. Dann strahlen ihre Augen. Freudentränen rollen hemmungslos, als sie von Pearl und Rusty auf die Bühne begleitet und vom gesamten Ensemble in die Mitte genommen wird.

Für die Bochumerin wird ein Traum wahr. Ein Märchen unterm Sternenhimmel, an dem die WAZ maßgeblichen Anteil hat.

„Können Sie mir helfen, meinen riesengroßen Wunsch zu erfüllen? Die WAZ hat ja schon einiges möglich gemacht.“ So heißt es in einer E-Mail, die Anfang November die Redaktion erreicht. Absender: Nika Kleemann. Ihre Geschichte: unglaublich. Am 29. November, kündigt die 37-Jährige an, werde sie im Starlight-Theater zu Gast sein. Zum 500. Mal! Innerhalb von fünf Jahren! Ihr Traum zur Jubiläums-Vorstellung: „Ich möchte soooooooo unendlich gern ein Foto mit dem kompletten Cast haben.“

Foto soll eine Überraschung werden

Die WAZ recherchiert. „Klar kennen wir Nika. Die ist gefühlt an jedem dritten Tag hier, kennt alle und jeden“, sagt Starlight-Sprecherin Friederika Gerwe. Und: Selbstverständlich könne ihr Wunsch erfüllt werden. Mit Feuerwerk und Fanfare. WAZ und Theaterleitung verständigen sich: Nika soll vorher nichts erfahren.

Das sind Nika Kleemanns Stars: Die Dartsteller des Starlight Express.
Das sind Nika Kleemanns Stars: Die Dartsteller des Starlight Express. © Dietmar Wäsche

Die WAZ überbringt Nika die traurige Nachricht. Keine Feier. Kein Foto. Aber immerhin ein Zeitungsbericht über ihre irre Starlight-Liebe. Die Eppendorferin stimmt zu. Vor der Vorstellung am Donnerstag erzählt sie uns über sich und ihre Passion.

Erster Besuch des Starlight Express: 29. November 2013

Es ist ein berührendes Gespräch. Nika ist schwer krank. Herzinfarkt, Leukämie, Diabetes, Asthma, Wirbelsäulenverkrümmung: Schon dreimal, berichtet die gelernte Bibliothekarin, sei sie dem Tod von der Schippe gesprungen. Sie kann seit Jahren nicht mehr in ihrem Beruf arbeiten. Immer wieder habe sie jeglicher Lebensmut verlassen. Dann geschah etwas Wunderbares.

Am 29. November 2013 habe ein Kuvert in ihrem Briefkasten gelegen. Ohne Absender. Inhalt: eine Eintrittskarte für Starlight Express, gültig direkt an dem Abend. Wer ihr das Ticket geschenkt hat, weiß sie bis heute nicht. Sicher ist: Fast wäre die Karte verfallen.

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Denn Nika war zuletzt als kleines Mädchen in einer Vorstellung. „Da bin auf dem Schoß meiner Mutter eingeschlafen. Das war nichts für mich.“

Ehemaliger Starlight-Papa David E.Moore ist ihr Ersatzvater

Diese Meinung hat sie inzwischen gründlich revidiert. Trotz aller Zweifel fuhr sie an jenem 29. November 2013 zum Stadionring – und kehrte bislang 499 Mal zurück. Starlight, sagt sie und leuchtet von innen, habe ihr das Lachen, das Leben zurückgegeben. „Das ist meine Familie, mein Ein und Alles. Hier bin ich glücklich und kann meine Sorgen vergessen.“

Das gilt vor ebenso wie hinter den Kulissen. Meist steht sie schon Stunden vor Showbeginn am Bühneneingang. Zu mehreren Darstellern unterhält sie Freundschaften, bastelt und näht für sie. David E. Moore, bis vor zwei Jahren der Starlight-Papa, sei inzwischen ihr Ersatzvater. Deshalb war es ihr auch egal, als in diesem Sommer aus Papa eine Mama wurde: „Mein ,Papa’ war ja eh schon weg.“

Leidenschaft mit dem Erbe finanziert

Nika Kleemann finanziert ihre Starlight-Leidenschaft mit einem Erbe. Als ihre Großmutter vor einigen Jahren starb, hinterließ sie ein Haus in Weitmar. Mit Omas vorheriger Zustimmung wurde die Immobilie verkauft.

Ich weiß nicht, wie lange ich noch lebe. Starlight bedeutet mir alles. Deshalb legen wir das Geld in Eintrittskarten und Geschenken für die Darsteller an“, berichtet die 37-Jährige, die häufig von ihrer Mutter Annette (67) begleitet wird.

Bei Kartenpreisen zwischen 40 und 120 Euro dürften sich die Eintrittsgelder allein für Nika Kleemann auf bisher über 30.000 Euro summieren.

In einer Mappe hat Nika jeden Besuch säuberlich dokumentiert. Mit Datum. Karte. Platznummer. Mindestens einmal, mitunter auch zwei- bis dreimal pro Woche nimmt sie im Theater Platz. Auf das 500er-Jubiläum habe sie „gezielt hingearbeitet“, schmunzelt sie. Der 29. November sollte es sein. Der fünfte Jahrestag des Kuverts.

Nika singt und fiebert mit, applaudiert – Glück pur

„Schade, das mit dem Foto wäre echt schön gewesen“, sagt Nika zum Ende des Interviews traurig. Der WAZ-Redakteur bewahrt die Fassung – und beobachtet die 37-Jährige, wie sie während der Show bei jedem Song lauthals mitsingt, begeistert applaudiert, bei den Rennen der Lokomotiven mitfiebert, als wäre sie zum ersten Mal dabei. Zu sehen ist: Glück pur.

Gerade wollen die Besucher nach dem gewohnt furiosen Finale den Saal verlassen, als ein Starlight-Mitarbeiter das Mikro ergreift und von einem ganz besonderen Jubiläumsgast berichtet. Warmherziger Applaus brandet auf. Die Darsteller schließen ihren Mega-Fan in die Arme. Nikas Traum, er wird endlich wahr.

Der nächste Besuch ist gesichert. Als Geschenk spendiert das Theater Freikarten. Wie lange Nika noch mit den Sternen funkeln wird? Der wohl schönste Song des Musicals liefert die Antwort: „Für immer.“

Zahlen und Daten zum Starlight Express

89 Prozent aller Deutschen kennen den Starlight Express

Das wies 2017 eine Marktforschungsstudie aus. Die Allermeisten dürften das Musical mit Bochum in Verbindung bringen: beste Stadt- und Imagewerbung.

416.000 Besucher verfolgten in der vergangenen Spielzeit die Lok-Rennen

Bisher gab es 11.600 Shows. Über 16 Millionen Gäste waren es seit dem Start im Juni 1988: Weltrekord für ein Musical an einem Standort.

305 Mitarbeiter sind im Theater beschäftigt

Damit ist der Starlight Express auch ein bedeutender Arbeitgeber – auch wenn im Zuge der Jubiläumsshow einige Stellen im Orchester und in der Technik wegfallen.

49 Prozent der Besucher kommen aus NRW

Zehn Prozent kommen aus Baden-Württemberg, acht Prozent aus Bayern, jeweils sechs Prozent aus Hessen und Rheinland-Pfalz. Die meisten verbinden den Musicalbesuch mit mindestens einer Übernachtung. Der Trend geht zu Zwei- oder Drei-Tages-Touren. Dabei steuern die Musical-Touristen gern auch das Planetarium, das Bergbaumuseum, das Dreieck oder den Tierpark an.

60 Millionen Euro Jahresumsatz beschert Starlight der Stadt

Davon profitieren neben Handel und Gastronomie insbesondere die Hotels – vorneweg das Acora am Nordring: Mit 50.000 Gästen im Jahr ist es das führende „Starlight-Hotel“.

646.000 Übernachtungen gab es 2017 in Bochum

Zum Vergleich: 1987 waren es 166.000. „Diese enorme Steigerung ist nicht nur, aber vor allem Starlight zuzuschreiben“, sagt Stadtwerber Thomas Weckermann. Augenfällig: 2008 und 2013 gab es in der Hotellerie sprunghafte Zuwachsraten von acht Prozent: Es waren die Starlight-Jubiläumsjahre, in denen die Show – wie auch jetzt wieder – erneuert und aufgefrischt wurde.

88 Prozent der Gäste zeigen sich „sehr“ oder „voll und ganz“ zufrieden

So heißt es in einer Befragung aus dem Jahr 2018. 64 Prozent stehen einem erneuten Besuch offen gegenüber. Beste Voraussetzungen für eine erfolgreiche Zukunft des Musicals, das besonders viele Frauen anlockt: 61 Prozent der Besucher sind weiblich.

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