Bochum. Foyer-Notizen aus der umjubelten Premiere von „Murmel Murmel“. Selten waren sich Publikum und Darsteller bei einer Aufführung so nahe.
Das Schauspielhaus hat schon so manchen Beifallssturm erlebt. Ein so überbordender und herzlicher wie nach der Premiere von „Murmel Murmel“ am Donnerstagabend war aber lange nicht dabei. Begeisterung, Freude, Überschwang pur. Beim Hinausgehen konnte es einem vorkommen, als ob das Theater ganz sanft wie auf einem Luftkissen hoch gehoben worden wäre.
Was war da los?
Es gab die Bochumer Erstaufführung von „Murmel Murmel“, einem Stück, das 2012 in Berlin Premiere hatte (siehe Rezension im Hauptteil). Intendant Johan Simons hat Regisseur Herbert Fritsch fürs Schauspielhaus gewonnen, und der renommierte Theatermacher, Kulissenkünstler, Filmer und Schauspieler wird es in Bochum nicht nur „murmeln“ lassen. Zwar ist sein sechs Jahre altes Kultstück als Dauerläufer im Spielplan fest vorgesehen, aber Fritsch liefert auch Frischware ab: Am 22. Dezember hat seine Inszenierung „Die Philosophie im Boudoir“ nach dem Buch des Marquis de Sade Erstaufführung. Klingt auch recht vielversprechend!
Was macht „Murmel“ aus?
Im Grunde muss man sich das Ganze vorstellen, als schmissen Jacques Tati als Monsieur Hulot und das Stummfilm-Kabinett des Dr. Caligari eine psychedelisch vernebelte Eurythmie-Party. Klingt durchgeknallt? Ist es auch. Das Spiel läuft ab in einer grellen, aus verschiebbaren Bühnenwänden bestehenden Kulisse. Deren hoher Schauwert ist kein Selbstzweck. Vielmehr beugt er als belebendes Element einem Overkill an Slapstick und sich wiederholenden Posen vor. Denn so bizarr-schön die pantomimischer Pointen der Darsteller sind, so vorausschaubar werden sie irgendwann doch. In den sauber ‘runtergespielten 70 Bochumer Minuten droht diese Gefahr aber nicht.
Findet das Stück jeder gut?
Nein, durchaus nicht. „Murmel Murmel“ hat sich schon vorwerfen lassen müssen, das Theater insgesamt zu verraten und den Klamauk nicht nur über die „Botschaft“ der Bühne zu stellen, sondern ihr die Daseinberechtigung überhaupt abzusprechen. Aber wie das so ist: Kunst liegt im Auge des Betrachters. Bei der Premiere am Donnerstag waren, wenn es sie überhaupt gab, die Speier und Spötter in absoluter Unterzahl.
Und die Schauspieler?
Viele unbekannte Gesichter, schließlich kommt die Aufführung aus Berlin. Einen kennt man aber doch von früher: Wolfram Koch, der von 1995 bis 2000, also in der Haußmann-Ära, zur ersten Riege des Ensembles gehörte. Er war Faust in Jürgen Kruses unvergessenem „Urfaust“, wirkte in „Dantons Tod“ oder „Tryin’ Macbeth“ mit. Heute gehört Koch zu den Top-Mimen in Deutschland, vor allem am Deutschen Theater Berlin und an der Volksbühne setzte er Glanzlichter. Dem TV-Publikum ist er als Frankfurter „Tatort“-Kommissar bekannt.
Wie oft wird gemurmelt?
Das Stück rückt als Dauer-Übernahme in den Spielplan, es wird regelmäßig, aber nicht allzu oft aufgeführt. Der Aufwand, das übers Land verstreute elfköpfige Ensemble samt Musikus Ingo Günther am Schauspielhaus zu versammeln, ist groß. Vor allem, was die Terminfindung angeht.