Johannas Wieking ist Dauergast auf Bochums Brettern. Im Theater Rottstraße begeistert sie als Jeanne d’Arc. Nun geht’s auf die ganz große Bühne.
Bochum. Eine der auffälligsten Schauspielerinnen in Bochum ist seit langem Johanna Wieking. Die 32-Jährige ist Dauergast auf den Brettern im Prinz-Regent-Theater und an der Rottstraße 5, jetzt steht der Schritt ins Schauspielhaus auf dem Karriereplan. Am 24. November hat Hanna Biedermanns Kinder- und Jugendproduktion „Alle Jahre wieder“ Uraufführung. Und Johanna Wieking ist mit von der Partie.
Dieser Tage war die Aktrice aber wieder in ihrer aktuellen Paraderolle zu sehen. Im Theater Rottstraße 5 spielt sie in „Johanna.Stimmen“ die Jeanne d’Arc – aber auch sich selbst. Die Inszenierung von Michael Lippold rollt die mystische Geschichte der Heiligen Johanna von Orléans auf, und fragt danach, was sie, die Frankreich im 13. Jahrhundert vor den Engländern rettete, wohl tatsächlich war: Bauernmädchen und Jungfrau, Kriegerin und Heilige, Projektionsfläche und Mittel zum Zweck für die Herrschenden? Oder nichts von alledem?
Frau mit Ausstrahlung
Johanna spielt also Johanna, und es ist sehr spannend zu beobachten, wie Wieking die Rolle annimmt, und diese gleichzeitig immer wieder auf ihre eigene Person bezieht. Nicht, dass die Bochumerin ein ganzes Land retten wollte, das nicht. Aber Zweifel und Ängste, Hoffnungen und Sehnsüchte sind der historischen Johanna ebenso eingeschrieben wie einer jungen Frau im 21. Jahrhundert. Und die Frage, ob man sich selbst findet, wenn man fremden Vorgaben oder anderen Erwartungen folgt, ist auch noch aktuell.
In der Aufführung lotet Johanna Wieking solche widersprüchlichen Persönlichkeits-Zuschreibungen mit Wucht und Witz, mit frecher Klappe und in stiller Einkehr aus. Am Ende fragt die richtige Johanna ihre richtige Mutter, warum diese ausgerechnet den Namen „Johanna“ für ihre Tochter gewählt habe. „Weil er stark klingt, weil ich Dir Selbstbewusstsein geben wollte“, lautet die Antwort.
Zur Person Johanna Wieking
Johanna Wieking wurde 1986 in Münster geboren und lebt in Bochum. Hier absolvierte sie auch vom 2008 bis 2012 ihre Ausbildung an der Folkwang Universität der Künste am Studiengang Schauspiel Bochum.
Neben ihren Bühnenrollen ist Wieking im TV und Film aktiv. In der Serie „Der König von Köln“ dreht sie eine Episodenrolle und wirkte in „Stromberg – Der Film“ mit. Außerdem ist sie mit Friederike Becht in dem witzigen Video „Immer schöne ernst bleiben“ von Sebastian 23 dabei.
Das hat offenbar gefruchtet, denn an darstellerischem Selbstbewusstsein mangelt es Johanna Wieking nicht. Sie war die „Isa“ in den beiden sehr erfolgreichen Herrndorf-Inszenierungen am Prinz-Regent-Theater, „Tschick“ und „Bilder Deiner großen Liebe“. Beide Male gab sie die junge Ausreißerin mit soviel Charme und Power, dass man sie hätte knuddeln wollen. Wie wandlungsfähig Wieking ist, zeigte sich dann in Jean Genets „Zofen“, ebenfalls im Prinz-Regent, als sie mit Philine Bührer und Nermina Kukic eine knisternd-erotische Menage à trois hinlegte. Ganz anders wiederum ihre seelenwunde Michelle in Dennis Kellys „Schutt“, einem Endzeit-Drama um kaputte Familien und zerstörte Gefühle, wieder in der Rottstraße, wieder unter der einfühlsamen Regie von Michael Lippold.
Nun heißt der nächste Stopp also: Schauspielhaus. Man darf gespannt sein auf den weiteren Weg einer jungen Künstlerin, die hohe Darstellungskunst mit großer persönlicher Ausstrahlung verbindet. Und die ihren Weg gehen wird. Selbstbewusst wie Johanna.