Bochum-Linden. Nachdem die Party am Rosenmontag auf dem Marktplatz zuletzt aus dem Ruder lief, zieht die Werbegemeinschaft die Reißleine. Der Zug findet statt.

Die Karnevalssession hat gerade erst begonnen, da erhalten die hiesigen Jecken einen ersten Stimmungsdämpfer: Die Karnevalsparty auf dem Marktplatz, seit mehr als 20 Jahren fester Bestandteil des Lindener Rosenmontagszuges, ist abgesagt. Nachdem die Sause dort in den letzten Jahren immer mehr ausartete, zieht die Werbegemeinschaft Linden als Veranstalter nun die Reißleine.

„Das tun wir schweren Herzens“, sagt Agnes Reckert, die für die Werbegemeinschaft die Veranstaltungen organisiert. Aber man habe keine andere Möglichkeit gesehen. Nach vielen Gesprächen mit Polizei, Ordnungsbehörden, Bierwagenbetreibern und den Akteuren des Bühnenprogramms sowie nach reiflicher Überlegung und gewissenhaftem Abwägen sei entschieden worden, die bisherige Marktplatzparty am Rosenmontag nicht mehr zu veranstalten.

Denn zuletzt sei dort, wo sich die Jecken nach dem Umzug immer gerne versammelt haben, um weiter zu feiern, einiges aus dem Ruder gelaufen. „Es gab so viele Wildpinkler“, erinnert sich Agnes Reckert mit Schrecken an die letzte Veranstaltung im Februar. „Die sind sogar über einen Zaun geklettert, um sich vor einem Wintergarten zu erleichtern, in dem zu diesem Zeitpunkt die Anwohner saßen.“ Zudem sei das Toilettenhäuschen komplett verwüstet worden. „Und ich kann mich an ein 13-jähriges Mädchen erinnern, das komplett nicht mehr ansprechbar war und auch keinen Ausweis dabei hatte“, erzählt Reckert, die selbst Mutter ist.

Viele Glasscherben auf dem Boden

„Nein, das war für uns als Veranstalter und auch für die Polizei nicht mehr schön“, sagt Agnes Reckert. Der Alkohol sei wohl das größte Problem. „Der Rewe war zuletzt leergekauft. Auf dem Marktplatz lagen überall Scherben, weil Glasflaschen mitgebracht wurden. Es kommen mittlerweile sogar Jugendliche extra aus Gelsenkirchen, um bei uns in Linden Party zu machen“, berichtet Agnes Reckert. Schlecht nur, wenn diese Party mit steigendem Pegel ausufert.

„Wir haben mit allen Beteiligten viele Gespräche geführt und sind allerhand Szenarien durchgegangen“, sagt Agnes Reckert. „Wir müssten die Sicherheitsvorkehrungen deutlich erhöhen, den Marktplatz womöglich einzäunen und zusätzliches Sicherheitspersonal engagieren. Das ist finanziell nicht zu stemmen. Und auch die Verantwortung ist uns zu groß.“ Weil die Sicherheit der Besucher immer vorgehe, werde die Marktplatzparty nun abgesagt.

Neues Konzept angedacht

Zumindest vorerst. „Die Situation soll sich erstmal beruhigen“, hofft Agnes Reckert darauf, in ein paar Jahren auf dem Marktplatz ein neues Konzept auf die Beine zu stellen, bei dem Familien mit Kindern wieder Spaß haben teilzunehmen. Reckert: „Denn diese Party war früher ja als Familienfest gedacht. Zuletzt hingegen mieden gerade Familien den Marktplatz. Und viele Vereine ließen beim Programm ihre Kinder nicht mehr auf die Bühne. Das darf nicht sein.“

Sicherheitsvorkehrungen immer umfangreicher

Die Sicherheitsvorkehrungen für den Rosenmontagszug in Linden werden immer umfangreicher. Neun Zufahrtsstraßen müssen abgesperrt werden. Dafür hat die Werbegemeinschaft so genannte Indutainer – befüllbare Wassertanks – gekauft und sich einige von der Stadt geliehen, ebenso eine mobile Straßensperre. Das geht ins Geld. „Wir haben für die Tanks 5000 Euro bezahlt“, verrät Agnes Reckert von der Werbegemeinschaft. „Hinzukommen noch die Kosten fürs Sicherheitspersonal.“

Ein großes Lob zollt sie Polizei und Feuerwehr, „ohne die wir aufgeschmissen wären“, und der Stadt. „Die Zusammenarbeit und Unterstützung ist grandios.“ Insgesamt sei der Zug ohne die freiwilligen Helfer nicht zu stemmen. Wie etwa der frisch pensionierte Polizist Ralf Heisterkamp, der für die Werbegemeinschaft als Sicherheitskoordinator aktiv ist.

Bezirksbürgermeister Marc Gräf (SPD) bedauert die aktuelle Entwicklung, kann die Entscheidung der Werbegemeinschaft jedoch voll und ganz nachvollziehen: „Ich war erstaunt, wie viele vagabundierende Jugendgruppen in diesem Jahr mit Alkohol durch Linden gezogen sind. Das haben mir viele Anwohner bestätigt. Das hat eine neue Dimension angenommen. Da kann ich verstehen, wenn man nicht die Verantwortung übernehmen möchte, falls etwas passiert.“ Leid tut es ihm für all diejenigen, „die dort immer gern und friedlich gefeiert haben“.

Die gute Nachricht: Der eigentliche Rosenmontagszug und die Bühne an der katholischen Kirche, auf der alle teilnehmenden Vereine vorgestellt werden, bleiben erhalten und sind von dieser Maßnahme nicht betroffen.

Der 35. Rosenmontagszug der Werbegemeinschaft findet am 4. März 2019 statt. Das Motto lautet: „Linden verzaubert - helau“.