Bochum. Das Prinz-Regent-Theater startet mit einem modernen Klassiker von Jean Genet.„Die Zofen“ sind verführerisch und böse, sinnlich und emotional.

  • Das Prinz-Regent-Theater startet mit einem modernen Klassiker in die Spielzeit 2017/18
  • Frank Weiß bringt eine überzeugend zeitgemäße Deutung von Jean Genets „Die Zofen“ heraus
  • Die Schauspielerinnen Nermina Kukic, Johanna Wieking und Philine Bührer tragen den Abend

Verführerisch und böse, sinnlich und emotional: Der Saisonauftakt im Prinz-Regent-Theater sorgte für eine Achterbahn der Gefühle. Diese „Zofen“ haben’s in sich!

Frank Weiß hat den modernen Klassiker von Jean Genet bemerkenswert zeitgemäß in Szene gesetzt und dankenswerterweise auf Klamauk verzichtet. Denn nur vordergründig geht es in „Die Zofen“ um zwei spleenige, junge Frauen, die ihre Herrin loswerden wollen. Vielmehr geht es immer um alles: Ums Überleben und Sich-Finden in einer Welt, in der alle nur eine Rolle zu spielen scheinen.

Guckt, wie schön wir sind!

Jean Genet war Poet und Verbrecher, und hatte auch als Stückeschreiber eine anarchische Ader. Seine beiden Zofen geben sich in Abwesenheit der Herrin zunächst einem Verkleidungsspielchen hin, sie legen das Geschmeide und die Roben jener Frau an, die sie eigentlich verachten. Dazu knipsen sie laufend Selfies: Guckt, wie schön wir sind! Sogleich wird alles im Internet gepostet. Ich-Ich-Ich!-Gier und Wirklichkeitsflucht, Zeitphänomene des 21. Jahrhunderts, werden offenkundig.

Zeitverteib um Verstellung und Verachtung

Die „gnädige Frau“ ist übrigens nicht viel anders. Als sie auftaucht, setzt sich der Zeitvertreib um Schönheit, Verstellung und Verachtung bruchlos fort. Alle drei verwickeln sich in Träume, Wünsche, Illusionen. Was eigentlich ist hier noch echt? Geschieht der Mord am Schluss wirklich? Schein und Sein, Macht und Unterwerfung, Geringschätzung und Sehnsucht: Je länger die Aufführung dauert, desto deutlicher wird, warum man Jean Genet ein „Monster der Unschuld“ genannt hat.

Verrucht und verführerisch: (v.li.) Philine Bührer, Nermina Kukic, Johanna Wieking 
  
Verrucht und verführerisch: (v.li.) Philine Bührer, Nermina Kukic, Johanna Wieking   © Schuck/PRT

Das wie zeitlos schwebende Spiel entwickelt sich auf einer kunstvoll verkitschten Bühne (Ausstattung: Sandra Schuck), auf der die beiden dunkel gekleideten Zofen (Johanna Wieking, Philine Bührer) ihre Obsessionen frei lassen. Graue Mäuschen sind das nicht!

Sexuell aufgeladenes Spiel

Goldene Seile hängen von der Decke, Vorhang und Fallstricke zugleich. Die minimalistische Anmutung bekommt durch das fahl schimmernde Glänzen des Settings eine betörende Bühnenwirkung, der man sich schwer entziehen kann. Wieking und Bührer spielen die Zofen mal abgeschmackt vulgär, mal kalt bis ans Herz. Dass das Ganze ein Machtspiel und sexuell enorm aufgeladen ist, ist nicht zu übersehen. Spätestens dann nicht mehr, wenn die „Gnädige“ im 2. Akt die Bühne betritt.

Grandioser Auftritt von Nermina Kukic

Nermina Kukic verleiht der Dame des Hauses eine so trashige wie laszive Präsenz, wenn auch mit bedrohlich rabiater Unterströmung. Grandios spielt sie die Überspanntheit der stinkreichen, gelangweilten „Gnädigen Frau“ aus und flicht dazu noch jene Verdrehung in die Figur ein, die Jean Genet einst vorgab: Die drei Frauenrollen seiner „Zofen“ wollte der schwule Dichter mit Männern besetzt wissen. Weshalb es Sinn macht, dass Kukic der zickigen „Herrin“ zusätzlich eine schillernde Tuntenhaftigkeit überstülpt.

Ein starker erster Aufschlag zur neuen Saison im PRT!

>>> Termine & Tickets

„Die Zofen“ gibt’s wieder am 14. und 15. Oktober sowie am 8. und 9. November jeweils um 19.30 Uhr im Prinz-Regent-Theater, Prinz-Regent-Straße 50-60.

Kartenreservierung und Programm-Infos unter 0234/77 11 17.