Bochum. . 88 Prozent der Kürzungen bei Hartz-IV-Beziehern werden wegen verpasster Termine verhängt. Der Paritätische fordert Abschaffung der Sanktionen.
Jeder elfte Bochumer bezieht Hartz IV, 2,1 Prozent der Empfänger wird der Betrag, der per Gesetz die Existenz sichern soll, monatlich gekürzt. In fast 88 Prozent der Fälle geschieht das aufgrund von Terminversäumnissen beim Jobcenter – eine Tatsache, die der Paritätische Wohlfahrtsverband kritisiert.
„Wir halten das nicht für angemessen, dass Terminversäumnisse gleich mit großen Leistungskürzungen einhergehen“, sagt Holger Schelte, Fachreferent für Arbeitsmarktpolitik bei dem Wohlfahrtsverband. „Wir fordern eine Abschaffung des Sanktionssystems, das am Ende zu nichts führt.“
125 Euro weniger im Monat für junge Erwachsene
Besonders im Fokus der Kritik steht die Sanktionierung von Unter-25-Jährigen. Denn in dieser Altersgruppe gehen gleich mit dem ersten Versäumnis hohe Strafen einher. Im Schnitt werden den sanktionierten jungen Erwachsenen 125 Euro weniger monatlich ausgezahlt – bei einem Satz von 416 Euro ist das ein Viertel.
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Rund 91 Euro und damit 15 Prozent sind es bei den älteren Beziehern. „Das überzieht die Grenze dessen, was wir als menschenwürdig empfinden“, sagt Schelte. „Gerade bei jungen Leuten führen Kürzungen dazu, dass sie sich verschließen und abrutschen.“
Dabei geht der Paritätische in erster Linie nicht die Jobcenter an, der die Strafen umsetzt, sondern den Gesetzgeber, der diese vorgibt. Trotzdem gibt es regionale Unterschiede: In Recklinghausen sind es beispielsweise nur rund 61 Prozent der Kürzungen, die auf Meldeversäumnisse zurückgehen.
Bochum liegt bei dem Faktor über dem Landesdurchschnitt von 78,2 Prozent. „Die Gesetzeslage bietet einen gewissen Ermessensspielraums“, erklärt Schelte, „manche Jobcenter interpretieren das restriktiver.“
Strafen des Jobcenters erst bei Wiederholung
Johannes Rohleder, Pressesprecher des Bochumer Jobcenters, stellt klar: „Unser Ziel ist es nicht, Menschen zu sanktionieren, sondern sie in Arbeit zu bringen.“ Nicht beim ersten Versäumnis würden Strafen entstehen, zum Beispiel biete ein Anhörungsbogen die Möglichkeit, sich zu äußern. Bestraft werde erst, wer zum wiederholten Mal ohne Begründung nicht zu Terminen erscheint.
Rohleder weist zudem den ebenfalls von dem Paritätischen geäußerten Vorwurf zurück, dass von Sanktionen vor allem auch Menschen mit interkulturellen Verständigungsschwierigkeiten betroffen seien. „Der Anteil der Sanktionierten lag im Mai 2018 bei Ausländern bei 1,2 Prozent.“ Bei Flüchtlingen – Ausländern aus acht festgelegten Herkunftsländern – seien es nur 0,1 Prozent. Oder in Zahlen ausgedrückt: 49 Personen.