Bochum. . Die Ingpuls GmbH aus Bochum ist in der Wirtschaft angekommen. Seit 2016 produziert sie für die Autoindustrie. Und die Entwicklung geht weiter.

Sie gilt als Vorzeige-Start-up Bochums. Wann immer die Sprache auf junge, zukunftsweisende Unternehmen kommt, wird die Ingpuls GmbH als einer der ersten Namen genannt. 2009 von drei Studenten der Materialwissenschaft gegründet, steht sie neun Jahre später mit eineinhalb Füßen auf der Seite der etablierten Wirtschaft.

Die Belegschaft ist auf 30 Köpfe angewachsen, Aufträge mit Millionen-Stückzahlen aus der Automotivebranche stehen bis ins Jahr 2030 in den Büchern. Und die Finanzspritze in achtstelliger Höhe eines Geschäftspartners aus dem sauerländischen Anröchte, der sich eine Minderheitsbeteiligung gesichert hat, ermöglicht den nächsten Entwicklungsschritt. Denn bei der Produktion für die Automobilwirtschaft will es Ingpuls nicht belassen.

Zeit für den nächsten Entwicklungsschritt

Das neue Kapital könnte zwar auch in eine neue Produktionshalle am Werner Hellweg gesteckt werden. Sie soll spätestens 2020 stehen. Aber jetzt ist für das kluge Trio Burkhard Maaß, Christian Großmann und André Kortmann die Zeit gekommen, um den nächsten Entwicklungsschritt zu gehen.

Metallteile mit Gedächtnis

Es gibt vielfältige Anwendungsmöglichkeiten für die FGL-Produkte made in Bochum. FGL ist die Abkürzung für Formgedächtnislegierung, für Metallteile mit Gedächtnis. Sie können verformt werden, sind biegbar, können gepresst und gedrückt werden – und sind dank ihres Gedächtnisses – erzeugt durch eine besondere Legierung – in der Lage, sich bei der passenden Temperatur wieder in ihre ursprüngliche Form zu verwandeln.

Jeden Monat produziert Ingpuls bis zu 120.000 Federn. Bestellt sind für die nächsten Jahre insgesamt mehr als 13 Millionen Exemplare.

„Wir werden Produkte für andere Märkte aufbauen“, erklärt Christian Großmann (36), wie seine Mitgründer und Partner Doktor der Werkstofftechnik, im Unternehmen für das Marketing zuständig und damit auch das Sprachrohr nach außen. Und er zählt einige der Märkte auf, die die Senkrechtstarter mit ihren Ideen und Produkten erobern möchten: Konsumgüter-Elektronik, Medizintechnik, Gebäudeautomatik.

Mercedes Benz ist Kunde der Ingpuls GmbH

Seit 2016 beliefert Ingpuls Mercedes Benz mit sogenannten Fluidventilen. „45 Prozent aller Mercedes-Verbrennungsmotoren werden mittlerweile damit ausgestattet“, sagt Christian Großmann. Und längst ist das Unternehmen mit dem Stern nicht der einzige Interessent. „Wir haben Vorprojekte mit allen deutschen und auch einigen ausländischen Autoherstellern.“

Punkten kann Ingpuls dabei in mehrfacher Hinsicht: Ihr Produkt ist leichter und kostengünstiger („das ist das Wichtigste“) als die bisherigen Lösungen und trägt am Ende auch ein Stück weit dazu bei, dass Autos emissionsärmer unterwegs sind.

Pluspunkte, die so oder so ähnlich auch in anderen Bereichen ziehen könnten. Und dafür muss Ingpuls investieren: vor allem in die Unternehmensstruktur und ins Personal. „Vertrieb, Einkauf, Personal, Marketing, Controlling, IT-Struktur; es gibt viele Bereiche, die wir jetzt auf und ausbauen müssen,“ erklärt Christian Großmann.

Fundament für einen Technologie-Konzern

Bislang haben die drei Gründer das alles selbst erledigt. In Zukunft werden sie mehr Köpfe benötigen, um alle Aufgaben zu bewältigen. Die Zielsetzung könnte kaum ehrgeiziger sein: „Wir bauen das Fundament für einen Technologie-Konzern auf mit Tochterunternehmen für viele andere Branchen.“ Gespräche mit Investoren würden längst geführt.

Sorgen um einen Ausverkauf des neuen Aushängeschildes der Bochumer Wirtschaft müsse sich niemand machen. Die Gründer haben trotz des Investments aus dem Sauerland die Mehrheit im Haus, wollen weiter Richtung und Stil ihres Unternehmens prägen und haben früher schon Kaufangebote ausgeschlagen.

Klares Bekenntnis zur Stadt Bochum

Sie legen ein klares Bekenntnis zu Bochum ab: „Wir fühlen uns hier wohl und bleiben definitiv hier.“ Dafür sorge nicht nur die enge Anbindung an die Ruhr-Uni, sondern auch das Potenzial und die Mentalität der Region. Vor allem bei der Personalsuche seien das gewichtige Faktoren.

Wie wichtig die richtige Mentalität ist, das haben die Drei zu Beginn der Serienproduktion Ende 2016 erfahren. Weil eine Maschine nicht rechtzeitig fertig geworden ist, drohten gleich die ersten Lieferungen zu platzen. Es wäre der Super-Gau für das Start-up gewesen. Die Maschine musste durch Handarbeit ersetzt werden.

Erfahrungen wie diese machen auch demütig. Großmann: „Wir haben eine gute Perspektive, aber das alles ist kein Selbstläufer. Wir bleiben auf dem Boden.“ Und so märchenhaft die Firmengeschichte auch sein mag. Mit Märchen habe das alles nichts zu tun. Zumal: „Manchmal fühlt man die Last schon“, räumt Mitinhaber André Kortmann (37) ein. Am Ende aber, da ist sich das Trio einig, sei die Vorfreude größer als die Belastung.