Bochum/Hattingen. Gut 500 Unternehmer kamen zum IHK-Jahresempfang ins Schauspielhaus. In Sachen Risikokapital spielt Deutschland in der Regionalliga. Was tun?
- Deutschland belegt im internationalen Vergleich in Sachen Firmengründungen nur einen hinteren Platz
- Vier Gründer erklärten beim IHK Jahresempfang, woran das liegt und was sich ändern muss
- Ein Mentalitätswechsel müsse her-- aber es gibt noch weit mehr Defizite
Die Nachrichten sind nicht neu. Doch selten haben sie Botschafter so klar transportiert wie vier junge Unternehmensgründer beim Jahresempfang der Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittleres Ruhrgebiet im Schauspielhaus Bochum: Deutschland braucht mehr Gründer.
Unter den innovationsbasierten Volkswirtschaften belegt es nämlich nur den letzten Platz bei den Gründungen mit gerade einmal 4,4 Firmen je 1000 Erwerbstätigen (zum Vergleich: Israel kommt auf 11,1). Und es bedarf mehr Risikokapital, damit Start-up-Unternehmen eine echte Chance auf dem Markt bekommen.
Die Anfangsfinanzierung funktioniere ganz gut, so Florian Ziegler, dessen Reiseagentur „rent-a-guide GmbH“ eine Millionen Anfragen jedes Jahr bearbeitet und mit der jährlich 100 000 Reisende unterwegs sind. „Aber das Problem ist die Anschlussfinanzierung, wenn es um sechs-, sieben- oder achtstellige Summen geht“. Er wünscht sich eine städteübergreifende Zusammenarbeit im Bereich der Finanzierung von Start-ups und regionale Gründerfonds.
Es brauche Banken und Investoren, die mehr die Chancen als die Risiken sehen, so Dawid Schäfers von der Hattinger Digitalagentur „Voll digital“, und „mehr Vertrauen in die Gründer“, so Werkstoffingenieur Christian Grossmann (Ingpuls) sind nötig, damit Deutschland und gerade das Ruhrgebiet aufholen kann.
Wie drastisch die Lage ist, hat IHK-Hauptgeschäftsführer Eric Weik als Moderator der Podiumsdiskussion mit vier Gründern auf den Punkt gebracht: „Beim Thema Risikokapital spielen wir Regionalliga und nicht Champions League.“ Damit sich das ändert, bedarf es nach Einschätzung von Florian Hermann (Knüppelknifte System GmbH) eines Mentalitätswechsels. Das Dilemma sei, dass „man hier an den Pranger gestellt wird, wenn man als Unternehmer scheitert“. Defizite gibt es auch an den Hochschulen, wo nach Einschätzung des Jungunternehmer-Quartetts zu wenig darüber informiert werde, wie man sich selbstständig machen könne. Vor allem fehle es an Vorbildern; an Unternehmern, die an der Uni „einem die Faszination des Unternehmertums vermitteln“, so Ziegler.
Wie viel neue Firmen bewegen können, zeigt ihre junge Geschichte. Ingpuls etwa hat sich vom studentischen Beratungsteam zum Hersteller hochmoderner Technikprodukte mit einem idealen Wissenstransfer von Wirtschaft und Wissenschaft entwickelt, die Hattinger „Voll digital GmbH“ beschäftigt inzwischen 16 Mitarbeiter und stellte 2016 den bundesweit besten Azubi in der Branche. Zwei Ausrufezeichen nur, die die mehr als 500 Besucher des IHK-Jahresempfangs, der erstmals im Schauspielhaus Bochum ausgetragen wurden, beeindruckten.
Einen kleinen Abschied genommen hat derweil vor seinem offiziellen Ausscheiden im März IHK-Präsident Jürgen Fiege, der nach mehr als sechsjähriger Amtszeit nicht mehr der gerade erst gewählten, neuen Vollversammlung angehört. Unter seiner Regie war die IHK deutlich gewachsen, etwa indem sie drei Regionalbüros in Witten, Herne und Hattingen eröffnete. Sie musste aber 2015 und 2016 auch die Notbremse ziehen, weil – wie in diesem Jahr auch – die Ausgaben weit über den Einnahmen liegen. Fiege dankte allen, „die in stürmischen Zeiten für mich einen guten Rat“ und immer „ein offenes Ohr für die Anliegen der IHK“ hatten.
Und einmal mehr legte er den Unternehmen das Thema ans Herz, das ihn in seiner Amtszeit vor allem beschäftigt hat: „Wir, die wir ausbilden, wissen, dass wir durch die Qualität der Ausbildung Fachkräfte schaffen, die die Herausforderungen der Zukunft meistern können. Zum Nutzen unserer Unternehmen. Also lautet mein Appell: Bilden Sie aus!“