Bochum. . In einer Talk-Runde mit Intendantin Stefanie Carp geht es um die freie Rede – und um den Vorwurf des Antisemitismus. Zwei Demos sind angekündigt.
Der Ruhrtriennale steht ein heißes Wochenende bevor. Am Samstag bittet die Intendantin Stefanie Carp zur „Free Speech“-Gesprächsrunde, die nach der Absage der Pop-Band „Young Fathers“ einberufen wurde und die seit Wochen für ungewollte Festival-Publicity sorgt. Dazu wird es gleich zwei Protestaktionen geben – eine gegen, eine für Carp. Die WAZ erläutert die Hintergründe.
Worum geht’s?
Um eine politische Debatte, die die künstlerische Leitung der Ruhrtriennale so sicher nicht beabsichtigt hatte. Sie resultiert aus Carps Einladung, Ausladung und Wiedereinladung der Pop-Band „Young Fathers“, die sich nicht von der umstrittenen Israel-kritischen Bewegung BDS (Boycott, Divestment, Sanctions = Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen) distanzieren wollte. Wie es pro-israelische Vertreter und auch die israelische Botschaft gefordert hatten.
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Carps Wiedereinladung der „Young Fathers“ hatte die Band nach den zum Teil heftigen öffentlichen Debatten abgelehnt. Der Vorgang hatte bis in die Spitze der Landespolitik für Kritik gesorgt. NRW fördert die Triennale mit Millionenbeträgen.
Was soll der Talk bringen?
Mit „Freedom of Speech/Freiheit der Künste“ findet am Samstag (18.) eine Talk-Runde statt, die sich um das Spannungsverhältnis von Meinungsfreiheit und Freiheit von Kunst sowie persönliche und gesellschaftliche Verantwortung dreht. Sinn und Legitimation von Boykott-Strategien im Bereich der Kultur sollen thematisiert werden (15 Uhr, Turbinenhalle hinter der Jahrhunderthalle, Eintritt frei, Anmeldung erforderlich: 0221/280 210).
Mit dabei sind Intendantin Carp, Isabel Pfeiffer-Poensgen (NRW-Ministerin für Kultur und Wissenschaft), Alain Platel (Choreograph und Theaterregisseur), Elliott Sharp (Komponist und Performer) und Michael Vesper (Förderkreis Triennale). Bundstagspräsident a.D. Norbert Lammert moderiert.
Warum gibt’s da Protest?
Weil angeblich dem Antisemitismus Vorschub geleistet wird. Für Samstag 14 Uhr wird an der Turbinenhalle zur Demo „Kein Support des BDS mit öffentlichen Geldern“ aufgerufen. Initiatorin ist Malca Goldstein-Wolf, eine Aktivistin, die sich seit Jahren gegen Antisemitismus positioniert. Neben der Kritik am Verhalten und den Hin-und-Her-Entscheidungen Carps wird vor allem die Besetzung der Gesprächsrunde kritisch gesehen; mit Platel und Sharp säßen, so der Vorwurf, zwei BDS-Befürworter auf dem Podium.
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„Ein deutscher Jude, der den BDS ablehnt, wurde dagegen nicht geladen“, beklagt Goldstein-Wolf. Heikel: Der BDS werde vom Bundestag als antisemitisch eingestuft, die Ruhrtriennale, die zu 100 % aus öffentlichen Geldern des Landes NRW bestritten wird, böte somit „Judenhass auf Kosten den Steuerzahlers“, findet Goldstein-Wolf. Neben Lorenz Deutsch (FDP) wird auch Thomas Wessel, Pfarrer der Christuskirche und erklärter BDS-Ablehner, einen Redebeitrag beisteuern.
Was ist mit der Gegen-Demo?
Sie will für die Intendantin Partei ergreifen und findet ebenfalls am Samstag um 14 Uhr vor der Turbinenhalle statt. Aufgerufen hat das Internationalistische Bündnis/Regionalgruppe Bochum-Herne: „Wir erklären Frau Carp unsere Solidarität gegen die unsachlichen, diffamierenden Angriffe des ,Antisemitismus’-Vorwurfs und stärken ihr den Rücken für den fortschrittlichen Ansatz der Ruhrtriennale und gegen dreisten politischen Druck“, so Sprecher Clemens Böttigheimer.
Wer für die „Solidarität mit dem palästinensischen Volk“ sei, wie der BDS, sei „kein Verbrecher und kein Antisemit“, so das Bündnis. Die Auseinandersetzung um die Triennale bringe vielmehr die „Polarisierung in der Gesellschaft, die Rechtsentwicklung der Bundesregierung und den Widerstand dagegen“ zum Ausdruck.
Geht’s auch mal um Kunst?
Ja. Ab Donnerstag finden in der Jahrhunderthalle die Aufführungen von Christoph Marthalers großem Musiktheater-Projekt „Universe, incomplete“ statt. Die Premiere heute ist ausverkauft, für die Vorstellung am Sonntag (19 Uhr) gibt es noch Karten (25 bis 80 Euro, VVK auf www.ruhrtriennale.de).
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Ebenfalls an den Start geht das Festivalzentrum „Third Space“ vor der Jahrhunderthalle – es handelt sich um ein umgebautes Transall-Militärflugzeug, das Raum bieten wird für Konzerte, Diskussionen, Partys und Gespräche an der Bar. Mitmachen wird im „Third Space“ groß geschrieben: So finden bis Sonntag täglich von 15 bis 19 Uhr kostenlose Stuhlbau-Workshops statt. Jeder ist eingeladen, das Triennale-Festivalzentrum mit selbstgebauten Stühlen auszustatten.
>>> Was will die Bewegung BDS?
Die Abkürzung BDS steht für Boykott, Desinvestition und Sanktionen. Die Bewegung geht auf palästinensische Gruppen zurück, die 2005 zum Boykott gegen Israel aufgerufen hatten.
BDS-Aktivisten fordern Politiker, Firmen, Künstler, Wissenschaftler oder Sportler dazu auf, Auftritte, Investitionen oder wissenschaftliche Kooperation in Israel abzusagen oder zu beenden.