Bochum. 800 neue Wohnungen sollen jedes Jahr in Bochum entstehen – durch Neubauten, Sanierungen und Lückenbebauungen. Dabei gibt es einige Tücken.
Seine Vorfreude kann Marvin Jannett nicht verhehlen. „Diese Woche geht es los. Ich bin absolut aufgeregt“, sagt der 25-Jährige. Gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Yvonne Pell (28) baut er ein Haus an der Heinrich-König-Straße in Weitmar.
Direkt neben Jannetts Elternhaus ist noch eine Baulücke. Und in die rutschen die künftigen Hausbesitzer sozusagen hinein. Problemlos.
Schreiben an 330 Eigentümer
Als die Stadtverwaltung 330 Eigentümern von 275 Baulücken Ende 2017 einen Fragebogen zugeschickt hat, um das Interesse an einer Bebauung abzuklopfen, mussten der kaufmännische Angestellte und seine Partnerin nicht lange überlegen. „Das war für uns eine Initialzündung.“ Schon lange hätten sie darüber nachgedacht, zu bauen oder Eigentum zu erwerben. Dass das nun auf dem Grundstück, das einst seinen Großeltern gehörte, gelingen wird, freut ihn besonders.
„So bleibt die Familie zusammen und ich kann mich später um meine Eltern kümmern“, so Marvin Jannett. Ende 2017 hatten er und seine Partnerin den Bauantrag für ihr Einfamilienhaus gestellt, im April lag die Genehmigung vor. „Das ging reibungslos“, freut sich Bauherr und lobt die gute Arbeit und unkomplizierte Kommunikation mit der Stadtverwaltung.
25 Jahre Kampf mit der Behörde
Das würde ein anderer Bauwilliger auch gerne sagen. Aber der ist nach 25-jährigem Kampf mit der Verwaltung beinahe verbittert. „Wir fühlen uns mittlerweile unerwünscht und ein Stück weit aus der Stadt getrieben“, so Christian S. (Name ist der Redaktion bekannt).
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Es geht nicht um eine klassische Lückenbebauung, wohl aber um ein bebautes Quartier. Seit 1993, so S., habe seine Familie immer wieder versucht, auf einem Grundstück am Biermannsweg in Wiemelhausen zu bauen. Vergeblich. „Mein Bruder und meine Cousine haben aufgegeben und die Stadt verlassen“, sagt der 56-Jährige. Der Traum, dass alle in unmittelbarer Nachbarschaft auf einem Grundstück wohnen könnten, das seit 283 Jahren im Familienbesitz ist, habe sich zerschlagen.
Lage in einem Grünzug
Auf den ersten Blick scheint der Fall klar zu sein – zuungunsten der Eigentümer. Die Fläche liegt im Landschaftsschutzgebiet und ist Teil eines Grünzugs – wenn auch als „Zipfel“, der begradigt werden könnte.
Diese Lage sollte – „scheinbar“, wie S. einwirft – „bei allen Versuchen, die wir unternommen haben, gegen eine Baugenehmigung sprechen.“ Dabei hatte es in einer Mitteilung an den Bauausschuss 1993 noch geheißen: „Von Seiten der Verwaltung bestehen keine Bedenken gegen das Vorhaben.“
Politik wurde einbezogen
Nachdem Stadtbaurat Markus Bradtke auf S.’ jüngsten Vorstoß im Jahr 2014, eine Baugenehmigung zu erlangen, positiv reagiert habe („Er hat gesagt, ja, das kann ich mir vorstellen. Wir brauchen Wohnungen.“) und riet, die Politik einzubeziehen, hatte S. bei den größten Ratsfraktionen angeklopft und das Vorhaben vorgestellt: „Die SPD hat zugestimmt, die CDU, auch die Grünen nach internen Beratungen. Aber plötzlich hat die Verwaltung einen Rückzieher gemacht.“
Als Grünfläche ausgewiesen
Und der lässt die Eigentümerfamilie ratlos zurück. Stadtplanungs-Amtsleiter Eckart Kröck verweist darauf, dass das Areal in einem Bebauungsplan, im Landschaftsplan und im Regionalen Flächennutzungsplan jeweils als Grünfläche ausgewiesen sei. „Ohne eine Änderungen der drei Pläne wäre hier eine unmittelbare bauliche Nutzung nicht genehmigungsfähig.“
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„Mag sein“, sagt Christian S. Aber die Stadt selber habe aus dem Grünzug eine Fläche an der Stiepeler Straße abgetrennt und eine Bebauung genehmigt. „Zur dringenden Deckung des Wohnbedarfs“, wie es in einer Verwaltungsmitteilung heißt.
„Verwaltung muss Kräfte bündeln“
Möglich wäre also eine Begradigung des Grünzugs. Nur, diesen Aufwand will offenbar niemand betreiben. Angesichts der Mengenziele, 800 Wohnungen sollen jedes Jahr entstehen, müsse die Verwaltung ihre Kräfte bündeln, heißt es im Amt. Christian S. versteht das. Aber in 25 Jahren, argumentiert er, sollte auch Zeit für das Anliegen seiner Familie sein, zumal eine Entwurfsvariante den Bau von bis zu 18 Wohnungen vorsehe.