Bochum. . Im Bochumer Gefängnis hat Regisseurin Sandra Anklam mit Gefangenen ein neues Stück geprobt. Die Reihe gibt es seit 2009 – und steht vor dem Aus.
Die schlichte Mehrzweckhalle ist eigentlich unspektakulär – und doch ist der Ort dieser Aufführung ein ganz besonderer, da er sonst streng verschlossen ist: Mitten in der JVA „Krümmede“ hat die Theaterpädagogin Sandra Anklam ein neues Stück eingerichtet. Die Hauptrollen spielen Häftlinge.
Seit 2009 arbeitet Anklam unter dem Titel „Club in der JVA“ regelmäßig mit Gefangenen. Die nicht selten bemerkenswerten Aufführungen, die dabei entstanden sind, gehören zum Spielplan des Schauspielhauses. Doch die aktuelle Produktion, die im Laufe dieser Woche bei nur vier Vorstellungen zu sehen war, dürfte die letzte gewesen sein, denn unter dem künftigen Intendanten Johan Simons soll das Theaterspiel in der JVA wohl nicht weiter verfolgt werden.
Sechs Häftlinge aus fünf Ländern
„Ich finde das schade“, bedauert Anklam, die jetzt ein anderes Theater sucht, um womöglich doch noch weiter mit den Häftlingen in der „Krümmede“ arbeiten zu können. „Die JVA hat schon ihr Interesse signalisiert, das gerne fortführen zu wollen.“
In dem Stück „Drei alte Männer wollen nicht sterben“ machen sechs Häftlinge aus fünf Ländern mit. Weil zwei weitere Gefangene wenige Wochen vor der Premiere krankheitsbedingt ausfielen, sind kurzerhand eine Regieassistentin und eine Mitarbeiterin der JVA eingesprungen. „Eine so gemischte Gruppe hatten wir noch nie“, sagt Anklam. „Ich habe nicht gewusst, ob das klappt, denn die Krümmede ist ein reiner Männerknast.“ Doch das Ensemble habe überraschend gut harmoniert.
Spielfreude, die man im Profitheater selten findet
Mit Gefangenen zu proben: Damit hat Sandra Anklam mittlerweile Erfahrung. Bei allen Schwierigkeiten (die Sprachbarrieren sind hürdenreich, ein Vertrauensverhältnis ist nicht leicht aufzubauen) sei die Arbeit aber oft auch lohnenswert. „Das sind Menschen, die haben noch nie zuvor auf einer Bühne gestanden“, sagt sie. „Und plötzlich entwickeln sie Spielfreude, die man im Profitheater nur selten findet.“
Eine goldene Regel hat Anklam stets beherzigt: „Ich habe während der Proben nie gefragt, warum die Gefangenen hier einsitzen. Erst nach der Premiere wollte ich’s wissen.“
Ob Sandra Anklam eines Tages fürs Theaterspiel in die JVA zurück kehrt? Wünschen würde sie es sich schon – und die Gefangenen wohl auch. „Neulich sagte mir einer, wie traurig er ist“, erzählt sie. „Und dann fügte er an: ‘Aber ich bin ja noch sieben Jahre hier...’“
>>> INFO zu Sandra Anklam
Sandra Anklam (*1972) arbeitet seit der Intendanz von Matthias Hartmann an der Königsallee. Von 2002 bis 2011 war sie Theaterpädagogin und Regisseurin am Jungen Schauspielhaus.
Seit 2005 entwickelt sie Stücke zwischen Kunst und Therapie etwa in der LWL-Klinik und in der JVA Krümmede. Im „Club in der Psychiatrie“ hat sie zahlreiche Produktionen angefertigt.