Bochum. . Performance „Western Dreams and Eastern Promises“ der Künstlergruppe Kainkollektiv zeigt rasante Reise durch den Kontinent.
Mit einem leidenschaftlichen Pamphlet für ein weltoffenes und tolerantes Europa geht die Interims-Spielzeit von Olaf Kröck am Schauspielhaus zu Ende. „Western Dreams and Eastern Promises“, als letzte Premiere von der Künstlergruppe Kainkollektiv auf die Bühne gebracht, ist ein Klotz von einer Aufführung. Zweieinhalb pausenlose Stunden lang wird das Publikum auf den harten Sitzbänken in der Zeche Eins festgenagelt, bei gefühlten 50 Grad in der Halle ist die Luft zum Durchschneiden. Doch das Durchhalten lohnt.
Wer Kraft und Muße besitzt, sich auf diesen Ritt einzulassen, entdeckt eine fein gesponnene, wunderbar gestaltete Aufführung auf hohem Niveau, die fordert statt bloß zu unterhalten, am Ende aber einen Hang zur Langatmigkeit nicht ganz kaschieren kann.
Kein Weg ist zu weit
Eines muss man den Kainkollektiv-Machern dabei wirklich lassen: Kein Weg ist ihnen zu weit. Für ihre erste „Road-Movie-Theatre-Performance“ machten sie sich im Frühjahr gemeinsam mit den Videokünstlern von „Sputnic“ auf den Weg durch Europa. Von Wien über Warschau, von London bis Athen, von Lissabon bis hinab ins Bergbaumuseum durchquerten sie den Kontinent mit der Handkamera. Der wechselvollen europäischen Geschichte waren sie dabei ebenso auf der Spur wie aktuellen, rechtspopulistischen und rechtsnationalen Tendenzen, die die Künstler merklich beunruhigt haben.
Der Film, der dabei entstanden ist, bildet das Herzstück der Aufführung – und wird in fünf Akten mit Prolog und Epilog auf einer riesigen Leinwand etwas großspurig, aber mit vielen beeindruckenden Bildern gezeigt. Das achtköpfige Ensemble, das neben Schauspielern auch aus Tänzern und Sängern besteht, schlüpft dabei in die Rollen von Figuren aus der griechischen Mythologie: von Aphrodite bis Ariadne.
Dynamischer Klangteppich
Indem die Regisseure Fabian Lettow und Mirjam Schmuck gemeinsam mit dem Videokünstler Nils Voges geschickt die Grenzen von Raum und Zeit verwischen, wirkt dieser psychedelisch anmutende Bildertrip ungemein spielerisch – und souverän geschnitten ist er ebenfalls.
Was auf der Leinwand, die oft in ihre Einzelteile zerlegt und durch den Raum geschoben wird, so alles passiert, spiegelt sich mit surrealer Phantastik auf der Bühne wider, unterlegt von einem dynamischen Klangteppich von Michael Bohn (Iive am Kontrabass) und Rasmus Nordholt-Frieling.
Erst zögerlich, später immer hartnäckiger entwickelt sich hier eine eigenständige Choreographie, die wohl keiner im Saal komplett durchblickt, dafür sind die Figuren zu unscharf gezeichnet – und sie reden dauernd in gebrochenem Englisch und ratterndem Polnisch.
Es geht um Europa und unser Zusammenleben
Doch worum es unterm Strich geht, das ist schnell erfasst. Es geht um Europa und um unser Zusammenleben. So sind die zufälligen Begegnungen der Schauspieler im Film mit wildfremden Menschen auf den Straßen irgendwann fast spannender als das Spiel auf der Bühne. „Gibt es Hoffnung?“, so die oft gestellte Frage – und eine junge Frau in Lissabon antwortet lächelnd: „Eigentlich immer.“
Wieder heute (2.) um 19.30 Uhr und am 7. und 8. Juli in der Zeche Eins, Prinz-Regent-Straße 50-60. Karten unter 0234 / 3333-5555