Bochum. . Seit Jahren baut der blinde Wolfgang Hermann an einem 930-Quadratmeter-Haus. Der Bochumer Ansgar Scholten hat darüber ein Buch geschrieben.

Ein Haus, das ihm gefällt, könne er sich nicht leisten, sagt Wolfgang Hermann. Dabei kann er es gar nicht sehen, keine Wand, keinen Fußboden, keine Giebel. Obwohl er schon mit 17 Jahren fast nichts mehr sehen konnte und mit 32 Jahren vollständig erblindet ist, hat der heute 73-Jährige sich sein eigenes Haus gebaut, ein Haus der Superlative mit 930 Quadratmetern Fläche, mit dem er sogar im Guinness-Buch der Rekorde gelandet ist.

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Es steht in Ruhstorf an der Rott, einem 7000-Einwohner-Dorf in Niederbayern, 20 Kilometer von Passau entfernt. Aber die Geschichte über Wolfgang Hermann hat ein Bochumer aufgeschrieben. RUB-Student Ansgar Scholten hat das Buch veröffentlicht. „Beide Augen zu und durch“ – das Motto von Wolfgang Hermann.

Als der 24-Jährige im NDR eine Reportage über den Niederbayern und sein ambitioniertes Bauprojekt sieht, will er ihn unbedingt kennenlernen. Er fährt die 700 Kilometer in Richtung Süden, ist begeistert von dem, was Wolfgang Hermann da in den vergangenen mehr als 20 Jahren geschafft hat.

Ein eigenes Schwimmbad

„So etwas hat man noch nicht gesehen“, sagt Ansgar Scholten. Sein eigenes Schwimmbad eingebaut hat sich Wolfgang Hermann, weil er sonst einen Fahrer bräuchte, um baden gehen zu können. Vor jeder Treppe steht eine kleine Mauer, damit er nicht Gefahr läuft, die Stufen hinab zu fallen.

Ansgar Scholten sagt zum Haus von Wolfgang Hermann:  „So etwas hat man noch nicht gesehen.“ 
Ansgar Scholten sagt zum Haus von Wolfgang Hermann: „So etwas hat man noch nicht gesehen.“  © Martin Steffen

Er hat alles alleine gebaut, Stein auf Stein, hat jede Strom- und Wasserleitung, jede Fliese und jeden Dachziegel verlegt. Nur den Strom anschließen musste ein Elektriker. Als Hilfe diente Wolfgang Hermann ein kleines Modell, maßstabsgetreu von ihm selbst gebaut; jeden Tag tastet er es ab, rechnet sich die Maße hoch, um zu wissen, wie er weiterbauen muss. Immer wieder steht er vor der Frage: „Wie kann ich das machen?“

Beide Augen zu und durch

Früher hat der 73-Jährige in einer Metallgießerei gearbeitet. „Bei 900 Grad gewöhnt man sich daran, die Finger nicht mehr als Augenersatz zu gebrauchen“, sagt er. Und so scheut er sich nicht, mit der Kreissäge zu hantieren oder auf ein Dach zu steigen – immer nach seinem Motto und dem Titel von Ansgar Scholtens Buch: Beide Augen zu und durch.

Der 24-Jährige studiert Mathematik und Sport, arbeitet nebenbei als studentische Hilfskraft, für das Buch über Wolfgang Hermann hat er viele Abende in der Uni-Bibliothek verbracht, hat fast jeden Tag nach Niederbayern telefoniert und tut das weiterhin wöchentlich.

Das Haus als Lebenswerk

Fasziniert sei er gewesen von den Kniffen, die sich Wolfgang Hermann ausgedacht hat, um sein Leben als Blinder zu vereinfachen. Zum Beispiel hat er Spielkarten mit Etiketten angefertigt und an seiner Kleidung befestigt, hat Begriffe wie „grau kariert“ eingesprochen. Geht er mit seinem Blindenlesegerät über die Karte, hört er, wie zum Beispiel das Hemd aussieht – und zieht sich passend an.

Bislang hat der Rentner 300 Quadratmeter eingerichtet. Auf denen lebt er für sich allein, bastelt täglich weiter an seinem Traumhaus nach seinen Vorstellungen. Ob er jemals ganz fertig wird – das kann sich Ansgar Scholten fast nicht vorstellen. Das Haus, das ist sein Lebenswerk.

Das Buch „Beide Augen zu und durch“ ist für 12,89 Euro in jeder Buchhandlung bestellbar.