Bochum. Mit „Changing of the guard“ gelingt dem Komponisten Ari Benjamin Meyers eine eindrucksvolle Aufführung rund um Job- und Identitätsverlust.

Vier Jahre ist es her, seit der Komponist Ari Benjamin Meyers im Schauspielhaus eine Performance auf die Beine stellte, die vielen bis heute nicht aus dem Kopf geht. In acht Stunden, drei Schichten und mit 400 Teilnehmern zwischen acht und 80 Jahren gedachte er dem Aus für das Bochumer Opel-Werk. „Wir leben!“ schallte es am Ende sympathisch, beinahe trotzig durchs Theaterfoyer.

Seither hat sich die Stadt verändert. Sie lebt – auch ohne Zutun des Rüsselsheimer Autobauers, doch die Sorgen um die Zukunft von Arbeit und das eigene Auskommen, um Lohn und täglich’ Brot werden nicht geringer.

Rückkehr zur alten Wirkungsstätte

Mit „Changing of the guard“ (zu Deutsch etwa „Wachablösung“) ist Meyers jetzt an seine alte Wirkungsstätte zurück gekehrt und verwandelt für einen Abend den kompletten Theatervorplatz in eine pulsierende Bühne. Ihm gelingt ein starker Abend zwischen Witz, Wahn und Wehklage, der zum Nachdenken anregt – auch wenn das griffige, alles vereinende Opel-Thema diesmal einer eher allgemeinen Angst vor Job- und Identitätsverlust gewichen ist.

Alles beginnt mit einer sternförmigen Parade: Aus allen Himmelsrichtungen machen sich kleine Fußtruppen mit Marschmusik und wehenden Fahnen auf den Weg zum Hans-Schalla-Platz, wo eine ringförmige Arena aufgebaut ist. Etwa 50 Teilnehmern in braunen Gewändern – vom Kellner bis zum Fahrlehrer – umkreisen die Bühne gemächlichen Schrittes, während sieben Schauspieler und ein vortrefflich aufspielendes Orchester dazu den passenden Takt vorgeben. Das Publikum auf dem rappelvollen Vorplatz gruppiert sich ganz zwanglos drumherum, es gibt Bier, und es duftet nach Würstchen.

Auf Jobsuche: (v.l.) Tim-Fabian-Hoffmann, Sabine Osthoff, Manfred Böll, Anke Zillich, Jost Grix und Therese Dörr in „Changing of the guard“.
Auf Jobsuche: (v.l.) Tim-Fabian-Hoffmann, Sabine Osthoff, Manfred Böll, Anke Zillich, Jost Grix und Therese Dörr in „Changing of the guard“. © Stefan Arend

Über einen Verlauf von sieben Tagen, in denen Gott die ganze Welt erschuf, skizziert der Abend in kurzen Kapiteln das Drama eines jeden Arbeiters im Weinberg des Herrn. Was passiert, wenn ich nicht mehr zur Arbeit gehen muss? Wenn ich nicht mehr gebraucht werde? Wenn meine Fähigkeiten nicht mehr gefragt sind? „Feierabend!“ heißt es einmal lautstark. „Wir bleiben im Bett, wir bleiben zu Hause!“ Doch diese vollmundige Ansage hat naturgemäß einen bitteren, traurigen Beigeschmack.

Arbeit lohnt sich, Arbeit zahlt sich aus

„Arbeit lohnt sich, Arbeit zahlt sich aus.“ Solche Sätze klingen wie herunter gebetet – vor allem dann, wenn die Furcht vor immer intelligenter werdenden Maschinen, die uns eines Tages die Arbeit klauen könnten, groß ist. „In 14 Jahren sind sie Lkw-Fahrer, in 16 Jahren arbeiten sie im Einzelhandel.“

Erst nur zögerlich, dann immer hartnäckiger bricht Meyers seine Performance auf die persönliche Ebene herunter. Wohl keiner der Schauspieler auf der Bühne wird während der kommenden Intendanz noch hier zu sehen sein. „Mein Engagement endet in fünf Wochen. Haben Sie Arbeit für mich?“ fragt Tim-Fabian Hoffmann wie auch all seine Kollegen, ehe sein Flehen in einem großen, nicht mehr verständlichen Gemurmel untergeht.

Am Ende steht der siebte Tag und die etwas schlichte Botschaft, sich von allen Zwängen zu befreien und mal wieder richtig zu leben. „Lass los, wirf die Last der Arbeit ab“, heißt es da. Die Bühne verwandelt sich schließlich in einen Kreis aus Tischen und Bänken, an denen auch das Publikum Platz nimmt. Brot und Wein wird gereicht, es gibt viel zu besprechen.

>>>> Performance ist noch drei Mal zu sehen

Ari Benjamin Meyers (*1972) wurde in den USA geboren und lebt in Berlin. In seinen Arbeiten erforscht er oft die Beziehungen zwischen Interpret und Publikum. Er arbeitete mit Künstlern wie Tino Sehga und den Einstürzenden Neubauten zusammen.

Dauer: ca. zwei Stunden. Wieder am 16. und 29. Juni sowie am 14. Juli, jeweils um 20 Uhr. Eintritt frei.