Bochum. . Ratten sind besser als ihr Ruf, meint Stephan Flechsig. Er hält die Nager seit Jahrzehnten, ist Richter auf Ausstellungen und war früher Züchter.
Viele Menschen fürchten sich vor ihnen, haben Angst oder ekeln sich zumindest. Bei Stephan Flechsig ist das anders. Er hat für seine „Jungs“ extra ein ganzes Zimmer freigeräumt. Der Wahl-Bochumer hält Ratten.
Momentan leben in dem kleinen Raum zwei Böcke: Benito und Seven. Stephan Flechsig geht liebevoll mit ihnen um, spricht mit ihnen, nennt sie beim Namen und streichelt den beiden über den Bauch.
„Die verstehen mich“, sagt er. Er hat die beiden seit zwei Jahren, mittlerweile sind sie ruhiger geworden. Ratten werden im Durchschnitt nämlich nur circa zwei Jahre alt. „Ich gehe mit den Tieren zu Beginn des Zusammenlebens eine Art Vertrag ein“, erklärt der Historiker Flechsig, „die Ratten haben hier ein gutes Leben, dafür gehen sie drei- bis viermal in ihrem Leben mit mir zu Ausstellungen“.
Preisrichter bewerten das Aussehen
Auf diesen Ausstellungen in den Niederlanden, Deutschland oder sogar Tschechien treffen sich Rattenhalter mit ihren schönsten Tieren. Unabhängige Richter bewerten die Tiere dann nach festgelegten Kriterien, wie Symmetrie, Position der Ohren, Fellqualität, Farbe und Aussehen des Deck-/Bauch- und Unterhaares.
Flechsig ist selbst Richter für Farbratten, hat sogar das deutsche Standardwerk zur Bewertung der Tiere geschrieben, dass mittlerweile auch ins Niederländische, Französische und Englische übersetzt wurde. Bei den Wettbewerben geht es aber nicht nur ums Gewinnen (trotzdem hat Flechsig eine beachtliche Zahl Pokale in seinem Rattenzimmer), sondern vor allem um Aufklärung, Information und den Austausch mit anderen Rattenfreunden. „Eine Ausstellung gibt es vielleicht einmal im Jahr, um die Tiere kümmern muss man sich aber auch an den anderen 364 Tagen“, sagt Flechsig, „darüber muss man sich bei der Anschaffung bewusst sein.“
In der artgerechten Haltung hat sich laut dem gebürtigen Westfalen aber einiges getan. Früher kamen Tiere zu Ausstellungen, die krank, schmutzig oder verletzt waren, das habe sich geändert.
Hoher IQ und eigener Wille
Stephan Flechsig hatte schon immer viele Tiere um sich herum, ist auf einem Bauernhof an der Soester Börde aufgewachsen. Seine ersten Ratten hat er 1973 bekommen und sich in die Tiere verguckt. Nur zu seiner Studienzeit und in der Marine hat er keine gehalten.
„Ratten haben einen vergleichsweise hohen IQ und einen eigenen Willen, sind unabhängig und trotzdem verschmust. Das macht sie für mich besonders“, erklärt Flechsig lächelnd. Auch wenn Benito und Seven bald nicht mehr sind, möchte er sich neue Tiere holen und weiter als Richter tätig sein. Die „Jungs“ gehören einfach zu ihm.
>>> Beim Kauf auf seriöse Zucht achten
Farbratten werden heute in der Regel als Haustiere gehalten. Davon unterscheiden sich die wild lebenden Wanderratten. Die sichern ihr Fortbestehen insbesondere durch hohe Reproduktionszahlen. Ratten können in einem Jahr bis zu zwölf Mal werfen und bringen dabei ca. zehn bis 20 Junge zur Welt.
Ein Jungtier kostet in der Anschaffung nur rund 20 Euro. Dazu kommen aber weitere Kosten, wie Nahrung, Haltung und Arztkosten. Letztere belaufen sich in einem Rattenleben laut Flechsig auf etwa 150 Euro.
Ratten sind Allesfresser, nehmen neben Gemüse, Körnern und Früchten auch Fleisch zu sich.
Beim Kauf sollte man darauf achten, bei einem anerkannten Züchter zu kaufen, der nur Nachkommen produziert, wenn er für diese bereits Abnehmer hat.