bochum. . Drei Tage lang testen die Kuriewiczs ein Elektroauto der Stadtwerke. Einkäufe, Ausflüge – sie wollen genau wissen, was mit dem Fahrzeug geht.

Elektrisch nach Holland rauschen: Daraus wird nix. Zu gern wären die Kuriewiczs am Wochenende mit dem E-Auto nach Almelo gefahren, um für Anthony einen preisgünstigen Anzug für die bevorstehende Jugendweihe zu kaufen. Doch so schmuck der BMW i3 auch wirkt, den ihnen die Stadtwerke vor die Tür gestellt haben: Mit einer Reichweite von 100 Kilometern wäre die 300-Kilometer-Tour nur mit mehreren Auflade-Stationen zu bewältigen.

Die Zukunft der Automobilität testen

Drei Tage die Zukunft der Automobilität testen: Der WAZ-Familie war’s vergönnt. Von Freitag bis Sonntag konnten die Kuriewiczs nach Herzenslust in einem Stromer aus der Stadtwerke-Flotte unterwegs sein. „Spannend“ findet das Susan Kuriewicz (38). Mit E-Autos haben die Wiemelhausener bislang keinerlei Erfahrungen gemacht.

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Sie fährt einen Golf-Benziner, Hannes (33) einen jüngst erstandenen Volvo-Diesel. Klar: Mutter Natur liegt dem Ehepaar mit seinen drei Kindern am Herzen. Aber was ist mit Papas Dauertrauma, auf halber Strecke saft- und kraftlos liegen zu bleiben? Der schon nervös wird, wenn sich die Tank-Anzeige dem roten Bereich nur nähert?

Stadtwerke-Sprecher Kai Krischnak vermag Hannes’ Sorgen kaum zu mindern. Der Leih-BMW für die Kuriewiczs ist zwar erst zwei Jahre alt, für die Branche aber bereits von gestern. „Die neuen Modelle haben bis zu 400 Kilometer Reichweite“, sagt Krischnak. Das Vierfache des Probier-Mobils. „Hmm“, grummelt Hannes, nimmt dann aber doch bereitwillig zu einer Probefahrt Platz. Es geht ja nur einmal um den Pudding.

Getankt wird an der Ladesäule des Stadtwerkehauses.
Getankt wird an der Ladesäule des Stadtwerkehauses. © Stadtwerke

Kurze Einweisung des Stromexperten. „Ist er schon an?“, fragt der Familienvater. Ist er. Auch wenn man nichts hört. Gar nichts. „Schon komisch“, flüstert Hannes und gibt vorsichtig Gas. Ein sanftes Rauschen stellt sich ein. Anfangs zurückhaltend, dann mutiger kurvt er durch den Sprengel. „Angenehm“ findet er die Fahreigenschaften, „klasse“ die Beschleunigung, „gewöhnungsbedürftig“ das Bremsen, sobald man vom Gas geht. „Auf der Autobahn könnte das gefährlich werden.“

Passanten blicken neugierig

Manche Passanten blicken neugierig auf das stumme Vehikel. Laut aktueller Statistik gibt es derzeit 299 Elektrofahrzeuge in Bochum. Da ist noch jedes Exemplar ein Hingucker.

Hannes guckt immer wieder auf das Display, auf dem die verbliebene Reichweite angezeigt wird. „Das würde mich kirre machen: immer zu schauen, dass ja eine Ladesäule in der Nähe ist. Wehe, es ist keine in Sicht. Und was ist, wenn man im Stau steht?“, bangt er. Ist die Heizung an, geht’s noch deutlich schneller bergab, weiß Kai Krischnak. Und ist eine Säule gefunden, ist Zeit vonnöten. Drei bis acht Stunden dauert’s, bis die Batterie komplett gefüllt ist. „Ist halt ein reines Stadtauto für kürzere Distanzen“, betont der Stadtwerke-Sprecher. Wie eine Strom-Tankstelle funktioniert, lernen die Kuriewiczs an der Säule am Stadtwerke-Haus am Ostring. Danach rauscht die Familie ab ins Wochenende. Die Niederlande bleiben das Ziel.

Wenn auch mit Hannes’ Diesel.

Fazit: Kein Auto für Weltreisen – aber für die Stadt 

Die Fahrt nach Holland wäre wirklich nichts für das geliehene E-Auto gewesen: Mit einem Ladevorgang unterwegs hätten die Kuriewiczs für die 150 Kilometer mindestens drei Stunden länger gebraucht als sonst. „Kein Auto für Weltreisen“, bilanziert Hannes nach dem Test-Wochenende, „aber ein gutes Auto für die Stadt.“ Bei der Fahrt zum Baumarkt, dem Besuch bei Bekannten und dem Weg zur Arbeit und zurück leistete der Wagen ihnen gute Dienste.

Getankt wird an der Ladesäule des Stadtwerkehauses.
Getankt wird an der Ladesäule des Stadtwerkehauses. © Kai Krischnak

Allerdings waren auch prompt die beiden ersten angesteuerten Ladesäulen besetzt. „Würden jetzt alle E-Auto-Besitzer Bochums auf die Idee kommen, in die Stadt zu fahren“, überlegt Hannes, „dann könnte es an den Säulen ganz schön eng werden“. Und was, wenn man dann doch mal liegen bleibe? „Kann mir der ADAC da überhaupt weiterhelfen?“ ADAC-Sprecher Christian Buric gibt Entwarnung: Alle Pannenhelfer seien entsprechend weitergebildet worden. Wobei Elektromotoren einen geringeren Verschleiß hätten als Verbrennungsmotoren, spezifische Pannen demnach seltener zu erwarten seien. Sollte die Batterie leer sein, könne man zwar noch nicht mit mobilen Batteriesystemen dienen, so Buric, aber das Auto zumindest zur Ladestation oder in eine Werkstatt befördern.

Aufladen in der Garage

Für Susan ist das Aufladen der Haupt-Kritikpunkt: „Man kann während des Einkaufens an einigen Läden den Wagen laden, aber dann muss man sich schon ziemlich gut organisieren und genau planen, wann man wo und wie lange einkaufen geht.“ Dennoch: Wäre die Reichweite größer (wie es bei neueren Modellen bereits der Fall ist) und hätten sie in der Garage die Möglichkeit, Strom zu tanken – die Familie würde ein E-Auto bei der nächsten Neuanschaffung nicht von vornherein ausschließen. „Wobei für uns ein Hybrid eher in Frage käme“, meint Hannes. Den Preis jetzt erst einmal außen vor gelassen... Allerdings liegt der letzte Autokauf noch nicht lange zurück: Vor einigen Wochen erst hat es Hannes’ Wagen erwischt. Eine Reparatur hätte sich nicht mehr gelohnt. Susans Golf, den ein E-Auto vielleicht mal ersetzen könnte, muss also noch eine ganze Weile durchhalten. (gls)