Bochum. . Die freien Wohlfahrtverbände müssen sich in Bochum um immer mehr Obdachlose kümmern. Wohnungssuche für die Betroffenen wird immer schwieriger.

Um deutlich mehr Obdachlose als in der Vergangenheit müssen sich die Stadt und die freien Wohlfahrtsverbände kümmern. Anfang Februar waren 273 Personen in diversen Einrichtungen untergebracht, 2016 waren es lediglich 75 Personen. Deutlich zugenommen hat die Zahl von ledigen Männern – Deutsche und Ausländer – im Alter zwischen 28 und 69 Jahren, die keine Wohnung haben.

Aber in der Notschlafstelle der Inneren Mission am Stadionring, dem Fliednerhaus, waren 2017 auch doppelt so viele Frauen zu Gast als in der Vergangenheit. Das hat selbst den Träger überrascht. Eigentlich scheuen sich Frauen viel mehr, Einrichtungen dieser Art aufzusuchen, so Christiane Caldow, Leiterin der Wohnungshilfe bei der Inneren Mission. „Die Wohnungslosen-Dunkelziffer ist bei Frauen viel höher als bei Männern.“ Sie würden ihre Situation häufig in „ungünstigen Beziehungsmustern“ verdecken.

Fliednerhaus-Neubau hat begonnen

Insgesamt 568 Personen haben 2017 die Notschlafstelle in Anspruch genommen. Durchschnittlich war das Haus mit seiner Kapazität von 40 Betten mit 26 Personen belegt. Im Oktober soll das neue Fliednerhaus am Stadionring unmittelbar neben der jetzigen Einrichtung eröffnet werden und für eine deutlich bessere Unterbringung sorgen. Außerdem werden die Suppenküche und die Medizinische Wohnungslosenhilfe dort einziehen. Am Freitag haben die Erdarbeiten für den Neubau begonnen.

Untergebracht sind die Obdachlosen ansonsten an der Hohensteinstraße in Wattenscheid, wo die Stadtverwaltung ein Gebäude für 30 Personen unterhält. Für die restlichen Plätze nutzt die Stadt momentan die Überkapazitäten in diversen Flüchtlingseinrichtungen. Zumal: 83 der 237 Obdachlosen sind Flüchtlinge – die entweder nach der Bewilligung ihres Asylantrags noch keine Wohnung gefunden oder aber diese verloren haben.

© Ingo Otto

Verweildauer steigt

Auffällig ist: Die Wohnungslosen bleiben immer länger in den Einrichtungen. Eigentlich ist eine Verweildauer von bis zu vier Wochen vorgesehen, ehe sie wieder eine Wohnung gefunden haben. „Aber die durchschnittliche Unterbringungsdauer beträgt mittlerweile mehr als sechs Monate, genauer gesagt 186 Tage“, wie Friederike Hüther vom Sozialamt den Mitgliedern des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales jüngst mitteilte. Und: „Die Suche nach einer Wohnung ist für unsere Klientel ungeheuer schwierig geworden.“ Die gleiche Erfahrung machen die freien Träger. „Für unsere Klientel ist die Suche nach Wohnungen ein Riesenproblem. Das gilt auch für andere Gruppen wie die Suchthilfe oder die Strafgefangenenhilfe“, sagt Christiane Caldow.

Wohnungen sind schwer zu finden

Der Markt sei ausgedünnt. Und er wird sich auf absehbarer Zeit wohl auch nicht entspannen, zumal die Stadt mit ihrem Programm zur Förderung des Sozialen Wohnungsbaus den Verlust von jährlich etwa 200 Wohnungen mit Mietpreisbindung bestenfalls ausgleichen kann, aber keine zusätzlichen Sozialwohnungen schafft. Bei der Inneren Mission beschreiten sie daher schon neue Wege. Einer davon: „Wir mieten selbst Wohnraum an und geben ihn als Untervermieter weiter“, sagt Christiane Caldow.

Komplexe Problemlagen

Spürbar gestiegen sind auch die Beratungsfälle allein bei der Inneren Mission, einer Einrichtung der Diakonie. Binnen zehn Jahren hat sie sich seit 2007 auf 1750 verdoppelt. Und auch da hat der Anteil deutscher Männer am stärksten zugenommen. 1550 Mal stand die Obdachlosenhilfe der Stadt im vergangenen Jahr beratend zur Seite. Am häufigsten ging es dabei um Mietschulden (400 Fälle), um Räumungsklagen (231) und um Akutunterbringungen (209).

Das Problem für die Anlaufstellen von Stadt und freien Trägern: Erledigt werden alle Einzelfälle, die nicht nur deutlich zugenommen haben, sondern deren Problemlagen zum Teil viel komplexer geworden sind, mit der gleichen Personalausstattung wie vor zehn Jahren. Die Leiterin der Wohnungslosenhilfe spricht davon, dass die Belastungsgrenze erreicht sei.

>> STADT GEWÄHRT DARLEHEN

Darlehen in Höhe von 174 858 Euro hat die Stadt im vergangenen Jahr zur Begleichung von Mietrückständen gewährt. Die 107 Darlehen hatten eine durchschnittliche Höhe von 1634 Euro.

Außerdem wurden 38 Darlehen für Energierückstände gegeben. Dabei geht es insgesamt um 41 068 Euro, d.h. um durchschnittlich 1081 Euro.