Bochum. . Nach dem späten Bekanntwerden einer Vergewaltigung hat die Polizei zugegeben, dass es ein „Fehler“ war, nicht früher davon berichtet zu haben.

Die Bochumer Polizei hat am Mittwoch (28.) eingeräumt, mit dem Verschweigen der Vergewaltigung am 18. Februar einen „Fehler“ gemacht zu haben. „In diesem Fall haben wir uns aus Gründen des Opferschutzes bewusst gegen eine Veröffentlichung entschieden. Zukünftig werden wir in vergleichbaren Fällen offensiv berichten.“ Getroffen worden sein soll die Entscheidung von mehreren Stellen, darunter der Behördenleitung, der Pressestelle und dem Sexualkommissariat.

Bei der Entscheidung kam offenbar hinzu, dass der bereits zweimal wegen eines Sexualdeliktes vorbestrafte Tatverdächtige in einem Programm namens „Kurs“ war, das sich um rückfallgefährdete Sex-Täter kümmert. Er habe laut Polizei eine gute Sozialprognose gehabt: Er habe eine feste Arbeit sowie eine feste Partnerin gehabt, die von seinen Vorstrafen gewusst habe. Außerdem sei er zur Therapie gegangen.

Verdacht, dass „Kurs“-Programm nicht gefährdet werden solle

Der Verdacht drängt sich auf, dass die Polizei das „Kurs“-Programm insgesamt nicht gefährden wollte. Jedenfalls teilte sie mit: „In diesem Fall haben wir uns aus Gründen des Opferschutzes bewusst gegen eine Veröffentlichung entschieden. Zukünftig werden wir in vergleichbaren Fällen offensiv berichten.“ Im Regelfall informiert die Polizei sonst unaufgefordert über Verbrechen.

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Wie ernst man das Wort „offensiv“ verstehen muss, ist allerdings fraglich: Nach einer frühzeitigen WAZ-Anfrage nach einem Telefonat mit Polizeipräsidentin Kerstin Wittmeier wurde von der Pressestelle am späten Mittag mitgeteilt, dass die Behördenleiterin am Mittwoch nicht mehr im Hause sei. Damit bleibt auch die gestellte Frage unbeantwortet, ob sie von der Verheimlichung der Vergewaltigung wusste.

Tatverdächtiger flüchtete mit einem Taxi

Wie Oberstaatsanwalt Paul Jansen und die Polizei am Mittwoch mitteilten, war am Sonntagmorgen, 18. Februar, eine 33-jährige Bochumerin auf dem Weg von einer Disco nach Hause. Gegen 7 Uhr traf sie am Blumenfriedhof an der Harpener Straße, unweit der JVA Krümmede, auf einen unbekannten Mann. Nach einem Gespräch ging man gemeinsam über den Friedhof weiter. Plötzlich wurde sie dort von dem Täter mit einem Stein bewusstlos geschlagen. Sie erwachte teilweise unbekleidet und vermutete, vergewaltigt worden zu sein. Tatsächlich war dies der Fall gewesen. Wie Jansen der WAZ sagte, sei die Tat vollendet worden.

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Der Täter sei nachher zur Castroper Straße gegangen und dort an einer Tankstelle in ein Taxi gestiegen, mit dem er sich vom Tatort entfernt habe. Wohin, wurde nicht mitgeteilt. Der Fahrer des Taxis wurde später von der Polizei ermittelt. Dessen Angaben brachte die Kripo wenige Tage nach der Tat auf die Spur des Tatverdächtigen. Am 22. Februar erließ das Amtsgericht Haftbefehl. Tags darauf wurde der Mann zu Hause festgenommen, fünf Tage nach der Tat.

Nach WAZ-Informationen soll sich das Opfer zuvor in einem Musikclub an der Viktoriastraße im Bermuda-Dreieck aufgehalten haben. Aufgrund des physischen und psychischen Zustandes des Opfers konnte es von der Kripo erst zwei Tage nach dem Verbrechen vernommen werden.

Auffälliger Zufall: Der Tatort liegt in unmittelbarer Nähe der zukünftigen „Sotha“, der sozialtherapeutischen Anstalt für Sexual- und Gewalttäter. Die Bauarbeiten sind bereits im Gange.

2009 eine gleichartige Vergewaltigung begangen

Der Beschuldigte ist in Bochum geboren und wohnt auch dort. Verteidigt wird er von Rechtsanwalt Michael Emde – der Mann, der den Doppelmörder Marcel H. aus Herne vertreten hatte. Der Tatverdächtige schweigt zu den Vorwürfen.

Bereits am 16. Mai 2009 war der Mann wegen einer sehr gleichartigen Tat verurteilt worden. Damals, um 5 Uhr früh, hatte er im Dortmunder Keuning-Park eine 51-jährige Fußgängerin vergewaltigt, die gerade auf dem Weg zur Arbeit war. Zuvor hatte er in Dortmunder Lokalen Alkohol getrunken. Anfang 2010 wurde er vom Landgericht Dortmund zu vier Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Wie Staatsanwalt Henner Kruse der WAZ sagte, war der Täter damals geständig und hatte die Strafe voll verbüßt. Eine zweite Vorstrafe hatte er bereits 2009 vom Amtsgericht Lüdinghausen wegen versuchter sexueller Nötigung erhalten: Ein Jahr und zehn Monate Jugendstrafe auf Bewährung.

„Jeder Fall ist eine Gratwanderung“

Seit Juni 2014 ist der Mann wieder in Freiheit. Er stand aber unter „Führungsaufsicht“ und kam in das Programm „Kurs“. Das Konzept, so die Polizei, sieht mit verschiedenen Institutionen (Strafvollzug, Führungsaufsicht, Bewährungshilfe, Staatsanwaltschaft) eng abgestimmte Maßnahmen vor. Hierzu gehören unter anderem:

  • Die Überprüfung der Wohnsituation
  • Gefährderansprachen
  • Gespräche mit Betroffenen, etwa der Lebensgefährtin
  • Anlassbezogene Observationen
  • Überprüfungen der Weisungen der Führungsaufsicht
  • Überprüfung, ob der Proband die Therapieangebote wahrnimmt.

„Dies alles haben wir in Abstimmung mit den zuvor genannten Institutionen umgesetzt“, so die Polizei Bochum.

Jeder Einzelfall müsse genau bewertet werden, denn nicht jeder, der eine schwerwiegende Sexualstraftat begangen habe, sei in gleicher Weise gefährlich, werde rückfällig oder könne ein Leben lang eingesperrt werden. „Insofern ist jeder Fall eine Gratwanderung. Eine absolute Sicherheit vor einem Rückfall gibt es nicht. Einen erneuten Tatentschluss trifft der Täter selbst.“

Und weiter: „Wir wissen, dass Sexualstraftaten die Bevölkerung zutiefst beunruhigen. Darum sind wir besonders froh, dass der Tatverdächtige in Untersuchungshaft ist.“