Bochum. . Ohne das Internet und sein Handy, hätte Ahmad Schwierigkeiten im Alltag. Er ist gehörlos. So hilft ihm der „Freifunk Bochum“.
Ahmads Finger wirbeln auf seinem Smartphone herum. Seit wann er denn in Deutschland sei, war die Frage, die sein Betreuer Julian Reza-Schult für mich in das Gerät getippt hat. Ahmad grinst und zeigt seine Antwort auf Deutsch: seit zwei Jahren.
Der 26-jährige Syrer ist gehörlos. Als er klein war, hat ihm ein heftiges Fieber seine Hörfähigkeit genommen. Mit Hilfe seines Mobiltelefons überwindet er seither Sprachbarrieren – tippend.
Verständigungsprobleme ohne Internetzugang
Wie viele andere flüchtete Ahmad vor dem Bürgerkrieg in seiner Heimat, machte sich auf Richtung Deutschland, ließ Freunde und Familie zurück und schaffte es auf direktem Weg nach Bochum. Nun lebt er in der neu eingerichteten Flüchtlingsunterkunft Am Nordbad neben 129 anderen Bewohnern.
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Er musste sich zurechtfinden, orientieren und – was ihm am Anfang nicht leicht fiel – verständigen. Ohne sein Smartphone, schreibt er, hätte er große Probleme damit gehabt. Und ohne Internetzugang erst recht.
Seit die Freifunker am Nordbad drahtloses Internet eingerichtet haben, ist er ziemlich glücklich und dankbar. So geht es den meisten Geflüchteten, weiß Ahmad. Denn ohne das Internet geht heute nichts mehr. So hat der UN-Menschenrechtsrat das Internet 2016 auch zu einem Menschenrecht erklärt. Die Stadt hat das erkannt und die Freifunker damit beauftragt, kostenloses Internet in allen Flüchtlingsunterkünften einzurichten. Das sind laut Angaben des Sozialamts aktuell 13 Anlagen im gesamten Stadtgebiet.
Fakten zum Freifunk-Netz
Hier in den Einrichtungen trägt das Bürgernetz seine Früchte und hilft denjenigen, die es besonders brauchen. Denn Handyverträge mit Datentarifen bekommen Geflüchtete ohne Schufa-Auskunft und ohne festen Wohnsitz hierzulande nicht. Und wenn doch, geraten sie bei unseriösen Anbietern in die Kostenfalle.
Sprachlehrer schickt Videos
Seit es am Nordbad das Freifunk-Netz gibt, muss Ahmad nicht mehr jeden Tag in die Innenstadt fahren, erzählt er. Dort hat er täglich Stunden in Cafés am Dr.-Ruer-Platz verbracht, um ins Internet zu kommen. Vor allem um Kontakt in die Heimat zu halten. Von seinem Vater hört er noch regelmäßig. Wie es dem Rest der Familie geht, weiß er nicht. Jedes Gespräch tut ihm gut, schreibt er.
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Dabei nutzt Ahmad am liebsten die App „Imo“, mit der man Videoanrufe und Textnachrichten verschicken kann. Sein Integrationskurs hat dort auch eine virtuelle Gruppe, in der die Schüler sich austauschen können und der Sprachlehrer regelmäßig Videos schickt. Alle lernen sie deutsch in Gebärdensprache und üben zusammen.
Das macht ein modernes Handy mit Kamera unverzichtbar. Zwar besucht er auch ganz normal eine spezielle Sprachschule, für die er nach Essen pendelt, sein Smartphone verwandelt sich aber zu einem Klassenraum in der Hosentasche.
Zu Besuch in der Hauptstadt
In fünf Schritten zum Freifunker
Und gäbe es die sozialen Netzwerke nicht, die den Kontakt zu anderen Menschen dank Textnachrichten so einfach machen, könnte er heute nicht von sich behaupten, schon Freundschaften bis nach Hamburg, Osnabrück und Berlin geknüpft zu haben. Die bleiben nicht nur virtuell. Eine ebenfalls gehörlose Deutsche mit arabischen Wurzeln hat er in der Hauptstadt schon besuchen dürfen, ganz real.